Nettetal Orgeln sind ihre Leidenschaft

Nettetal · Orgeln sind keine einfachen Standardinstrumente. Mit ihren Pfeifen bringen sie Musik in jede Kirche. Gebaut werden die oft imposanten Gebilde unter anderem von der Nettetalerin Lea Wuttke.

Lea Wuttke mit ihrem Mann Matthias Dichter und einer selbsgebauten Mini-Orgel.

Foto: Sigrid Blomen-Radermacher

Gerade ist Lea Wuttke dabei, die Membran einer Ansteuerungsleiste für eine pneumatische Orgel auszutauschen. Wenn die Orgelbauerin von Orgeln erzählt, beginnt sie zu strahlen. Und man merkt es sofort: Orgeln sind eine echte Leidenschaft für sie. Die 27-Jährige ist „Orgel- und Harmoniumbauerin“, wie nach ihrer dreieinhalb Jahre dauernden Ausbildung ihre Berufsbezeichnung lautet.

In die Wiege gelegt war ihr dieser Beruf nicht. Keine Orgel spielenden Eltern oder Großeltern, keine Orgelbauer bei den Vorfahren, kein Elternhaus, in dem von früh bis spät Musik gemacht wurde. Auf Autofahrten, so erinnert sich Lea Wuttke, wurde lauthals zu Songs von Queen mitgesungen. „Gegrölt“ ist ihre Wortwahl.

Ein Keyboard gab es zu Hause, „da habe ich drauf rumgespielt“. Mit 16 Jahren bekam sie ein E-Piano, das hat sie immer noch, Unterricht nahm sie keinen. Gitarre spielen, das kann sie. Und wie ist es damit: Orgel spielen? „Kann ich nicht, ich kann nur klimpern“ – hinter dieser Aussage steckt sicherlich ein wenig falsche Bescheidenheit, aber Unterricht hat sie tatsächlich nie genommen.

Aber einmal von Anfang an: Lea Wuttke, in Mönchengladbach geboren, wuchs in Schwalmtal auf (und schwärmt direkt vom „Schwalmtaldom“, wie die große Kirche St. Michael in Waldniel genannt wird) und blieb dort, bis sie 20 Jahre alt war. Dann wechselte sie in die Nachbarschaft, erst nach Bracht, dann nach Mönchengladbach. Am Ende der Schulzeit merkte sie: „Ich habe keine Lust auf Abi.“ Ein Handwerk schwebte ihr als bessere Alternative vor. Etwas mit den Händen machen, das wäre das Richtige. Vielleicht Gitarrenbauerin? Aber dafür hätte sie zu weit wegziehen müssen. Ein Praktikum bei Orgelbauer Martin Scholz in Mönchengladbach machte ihr klar: Das ist es. Bei ihm begann sie die Ausbildung zur Orgelbauerin.

„Es war eine verdammt schöne Zeit“, schwärmt Lea Wuttke. Aber was genau ist es, was sie an der Orgel und an dem Beruf der Orgelbauerin so fasziniert? Während des Praktikums habe sie gemerkt, sagt Wuttke, „was es bedeutet, ein Orgel zu bauen, und wie glücklich es die Menschen macht. Ein Gottesdienst ohne Musik – das geht doch gar nicht.“ Etwas „für die Ewigkeit“ zu bauen – eine Orgel ist kein flüchtiges Bauwerk – begeistert sie. Und: Die schiere Größe der Orgel, der tolle Klang, der ein komplettes Orchester abbilden kann. Die Orgel sei das erste, das ihr auffalle, wenn sie eine Kirche betrete. Als Bauwerk begeistert Wuttke diästhetische Gestaltung vor allem älterer Orgeln. „In der Abteikirche Ottobeuren stehen Barockorgeln, deren Substanz aus dem 18. Jahrhundert ist. Da traut man sich kaum zu atmen.“

Die Berufsschule für Orgelbauer und Orgelbauerinnen ist in Ludwigsburg in Baden-Württemberg. Als Lea Wuttke 2017 hier lernte, trafen sich dort etwa 40 angehende Orgelbauer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darunter vielleicht ein halbes Dutzend Frauen. Hier hatte Lea Wuttke nicht nur Arbeitskunde, Geschichte der Orgel und Werkunterricht, sie lernte nicht nur auf den Orgelbau bezogene Mathematik und Arbeitskunde, sondern auch den jetzt 29 Jahre alten Matthias Dichter kennen, ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen.

Sein Hintergrund ist schon Kirchen-lastiger als bei Lea Wuttke: Dichters Urgroßvater machte Kirchenfenster, der Großvater war Vergoldermeister und hatte außerdem viele Bücher über den Kölner Dom. Er machte seinen Enkel mit dem „Dicken Pitter“, der berühmten, 24 Tonnen schweren Glocke, aus dem Dom bekannt. Ein nachhaltiges Erlebnis: Glocken wurden Dichters Leidenschaft. Seit vielen Jahren filmt er sie und nimmt ihren Klang auf.

In diesem Jahr haben Wuttke und Dichter geheiratet. „In der zweitgrößten Kirche in Köln“, verrät Dichter. Er ist nicht nur Orgelbauer, sondern auch Glockensachverständiger. Zusammen leben sie leben in Nettetal. Aber zurück zum Orgelbau. Im praktischen Teil der Ausbildung bei Martin Scholz arbeitete Lea Wuttke an ihrer „Lieblingsorgel“ in St. Lambertus, Erkelenz, mit. Der Gedanke „das wird jetzt für immer da stehen“, der ihr durch den Kopf ging, war schon besonders. Zu ihren Aufgaben gehörte auch die Unterstützung beim Pfeifenreinigen, beim Stimmen, beim Einpassen der Pfeifen. „Ich hab viel gelernt und viele Orgeln angeschaut.“

Ein heftiger Bandscheibenvorfall machte der jungen Frau allerdings einen Strich durch ihre Karriere-Rechnung. Schweres Heben, Arbeiten in gekrümmter Haltung – all das, was man so macht als Orgelbauerin, durfte sie nicht mehr tun. Aber sie machte aus der Not eine Tugend, fand bei der Orgelbaufirma Klais in Bonn eine Anstellung, bei der sie vor allem Stimmungen von Orgeln vornimmt. Sie liebt ihren Job, bei dem sie neue Orgeln und viele Menschen kennenlernt.

Die Begeisterung für den Beruf des Orgelbauers möchte sie teilen. Dazu dienen ihr die sozialen Medien, aber auch ein Workshop wie den in der Viersener Kirche St. Remigius, bei dem sie Kindern und Jugendlichen dabei hilft, eine sogenannte „Doe Orgel“ zu bauen. Vielleicht, sagt sie, kann sie auf diese Weise junge Menschen für dieses Handwerk interessieren.