Fachkräftemangel in Nettetal Personalnot belastet auch Bäcker und Konditor
Nettetal · „Dramatisch“ nennt Konditor Marcel Seeger den Personalmangel in seiner Branche. Auch Bäcker Markus Jansen sieht sich mit seinem Arbeitspensum am Limit. Und das hat Folgen.
Die alteingesessenen Nettetaler Bäcker sind aus Personalnot in einer ernsthaften Krise. Die Bäckerei Oomen in Lobberich hat Anfang Oktober aus diesem Grund dauerhaft geschlossen, wie Susanne Kleineberg bestätigt, die Assistentin von Manfred Oomen. Marcel Jansen von der Bäckerei Göbbels hatte länger am Montag und Donnerstagnachmittag zu. Marcel Seeger vom Café Seeger sucht seit über einem Jahr vergeblich nach einem Konditor. Auch im Café und im Verkauf ist die Personaldecke chronisch zu dünn.
Mit stark gestiegenen Schokolade- und Butterpreisen kommen die ansässigen Bäcker und Konditoren klar, auch die hohen Energiekosten kalkulieren sie ein. Die stetig wachsende Bürokratie und Dokumentationspflicht nehmen sie ebenfalls stoisch hin. „Aber der dramatische Personalmangel zieht sich wie roter Faden durch unser Handwerk“, sagt Marcel Seeger. Dieses Problem sei wie ein Laken, das seine Frau Ulrike und er an beiden Seiten festhalten. „Man zieht immer mehr, die Decke wird immer gespannter und irgendwann rutscht sie einem aus der Hand.“
Die Konditorei Seeger gibt es seit 1875. Marcel Seeger backt in der vierten Generation. Sein Café ist hervorragend besucht und ist zuverlässig ertragreich. Es kommen sogar extra Gäste aus Dortmund, Münster, Bonn und Aachen. Trotzdem will Seegers Sohn unter den aktuellen Bedingungen nicht Konditor werden und das Geschäft übernehmen. „Ich bin ein Überzeugungstäter, ich liebe meinen Beruf“, sagt Seeger. „Aber ich habe absolutes Verständnis für ihn.“
Dabei muss bei Marcel Seeger niemand nachts arbeiten. Er produziert hauptsächlich exklusive Torten, Pralinen und Gebäck. Seit 13 Jahren ist er außerdem einmal pro Woche im WDR-Fernsehen zu sehen. Seeger backt in „Hier und heute“ live für die Zuschauer. Für eines seiner Backbücher hat er einen internationalen Preis gewonnen. Mit seiner Medienpräsenz hat Seeger ein erfolgreiches Alleinstellungsmerkmal. „Als ich 1980 meine Lehre begonnen habe, gab es in Nettetal 13 selbständige Bäckerei-Betriebe“, erzählt er. Inzwischen sind Markus Jansen und Seeger die einzigen. „Alle anderen hat die Industrie platt gemacht.“
„Dabei schmeckt die Massenware wie Tapete“, findet Seegers. Seine Erfahrung ist, dass seine Kundschaft bereit ist, für Qualität auch etwas mehr zu zahlen. Trotz seines Erfolgs und seiner Leidenschaft für diesen Beruf möchte der 60-jährige Konditor nicht ewig so weiter machen. Über seine Perspektive sagt er nur: „Bis 2026 ändert sich erst mal nichts.“
Auch Markus Jansen, Inhaber der Bäckerei Göbbels in Breyell, hat das Gefühl, mit dem Rücken an der Wand zu stehen. Seit zwei Wochen hat er eine neue Kraft im Verkauf, davor war die Bäckerei länger am Montag und Donnerstagnachmittag geschlossen. „Wir müssen eigentlich jeden Tag backen, sonst sind wir nicht lukrativ“, erklärt er. Vor einiger Zeit hat der umtriebige Bäcker zwei Verkaufs-Fahrzeuge angeschafft. Aus ihnen könnte er auf Wochenmärkten und im Straßenverkauf Brot und Kuchen anbieten. Aber er findet niemanden, der diesen Job übernimmt. Jansen selbst arbeitet sieben Tage in der Woche. „In der Backstube sind wir zu dritt, wir arbeiten wirklich am Maximum“, sagt er.
Auch Jansen kommt finanziell „gut über die Runden“. Ähnlich wie Seeger setzt er im Segment Brot auf Qualität. 42 Brotsorten hat er im Sortiment, auch aus selbstgemahlenem Vollkorn oder Spezialmehlen aus der Schweiz, Italien und Frankreich. Bei ihm reifen die Teige natürlich und langsam, was man dem aromatischen Geschmack seines saftigen Brotes sofort anmerkt.
Doch Jansen musste im vergangenen Jahr vor allem wegen Schäden am Bewegungsapparat fünfmal operiert werden. Sein Arzt hat gesagt: „Kein Wunder bei dem Hochleistungssport, den du machst.“ Trotzdem sagt der Bäcker: „Es gibt für mich nichts Schöneres, als morgens vor dem vollen, duftenden Brotregal zu stehen. Und zu hören, dass die Kunden unser Brot super finden.“
Eine von ihnen ist Sonja Bedorek. „Ich finde die Vielfalt hier toll und die Ruhe, mit der ich beraten werde“, sagt sie. „Und der Geschmack ist fantastisch. Man schmeckt die Liebe, mit der das Brot gebacken wurde.“