Musik aus Meerbusch Die Band ATZ veröffentlicht mit „Hör auf zu schreien“ einen Pandemie-Song
Meerbusch · Mit „Hör auf zu schreien“ kritisiert die Gruppe eine zunehmend von Fanatismus statt von guten Argumenten geprägte Diskussionskultur. Menschen mit anderer Meinung müsse mehr Respekt entgegengebracht werden.
Es erscheint zunächst paradox, wenn in dem frisch veröffentlichten ATZ-Song „Hör auf zu schreien“ Sänger Detlev Spanholtz und seine Band sich selbst von lautstarken Emotionen leiten lassen. Doch bei genauerem Hinhören ergibt es Sinn, zumal der musikalische Protest sich nicht gegen eine spezifische gesellschaftliche Gruppe richtet. Inhaltlich geht es vielmehr um die Art und Weise, in der aktuell innerhalb der Gesellschaft Probleme diskutiert werden, und darüber kann man dann auch schon mal wütend werden.
„Wir wollen mit musikalischen Mitteln der zunehmenden Verrohung in der Diskussion entgegenwirken und fragen, was ist eigentlich aus den guten alten Argumenten geworden“, sagt Sänger und Gitarrist Detlev Spanholtz und beklagt, dass Lautstärke offenbar die Funktion von Fakten basierten Argumenten übernommen habe.
Nun gehe es darum, dem Song
das nötige Gehör zu verschaffen
Das soll sich aus Sicht der Band möglichst wieder ändern. „Wir plädieren für eine Diskussionskultur, die auch berücksichtigt, dass der andere Recht haben könnte, und in jedem Fall Respekt verdient“ ergänzt „Hör auf zu schreien“-Co-Komponist und Gitarrist Gert Vigener, der bereits mit dem Aufkommen der Pegida-Bewegung erste Verfallserscheinungen der Diskussionskultur, in der zunehmend Fanatismus die Regie übernommen hat, sieht.
Nun geht es darum, dem Song, der bereits im Dezember 2020 entstanden ist und somit gleichsam visionäre Züge trägt, das nötige Gehör zu verschaffen. Eine Aufgabe, die nicht leicht ist, denn Corona hat das musikalische Wirken von ATZ – ebenso wie das zahlloser anderer Bands – stark beeinträchtigt.
Konzerte waren für Detlev Spanholtz, Gert Vigener sowie Bassist Klaus Kreutz und Schlagzeuger Klaus Josten nicht möglich. Selbst Sessions im Krefelder Probenraum mussten wegen der Regelung, nach der nur zwei Personen im Proberaum zugelassen waren, ausfallen.
Auch wenn ATZ, was als Kürzel auch für Altersteilzeit steht, für ein Quartett gestandener Männer mit einer rockmusikalischen Sozialisation in den siebziger Jahren steht, so hatte die verordnete Abstinenz vom Rocken doch Folgen. „Musik machen ist billiger als eine Therapie“, unterstreicht mit ironischem Unterton Detlev Spanholtz die Relevanz seines Hobbys und erwähnt in diesem Zusammenhang das 2017er Konzeptalbum „Someone Like Us“, auf dem die 2011 gegründete Band auf sehr persönliche Weise einzelne Lebensstadien reflektiert.
Die Idee zu „Hör auf zu schreien“ und die gestiegenen Aggressionen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu thematisieren, kam Spanholtz und Vigener spontan, als der Proberaum während des Lockdowns nur zu zweit nutzbar war. Der TV-Film „So viel Zeit“ mit Jan Josef Liefers nach einem Buch von Frank Goosen über eine Band-Wiederbelebung gab schließlich den Anstoß, sich nun textlich auf die deutsche Sprache zu verlegen. „Und das macht dann bei der Zielrichtung von „Hör auf zu schreien“ auch wirklich Sinn“, so Spanholtz überzeugt.
Erst im Sommer 2021, als alle Musiker zweifach geimpft waren, traf sich die Band wieder vollständig zu Proben und „Hör auf zu schreien“ konnte schließlich gemeinsam zu Ende entwickelt werden, bevor es dann zur Aufnahme in ein Krefelder Studio ging.