Kabarett: Bei Schwester Hedwig machen sich alle ganz frei

Arnulf Rating feiert mit seinem neuen Programm im Forum Deutschlandpremiere.

Lank. Sprechstunde in der Praxis Spreebogen. Schwester Hedwig bittet Patienten aller K(l)assen, sich schon einmal freizumachen. Im Wartezimmer warten genügend Patienten für ein abendfüllendes Kabarettprogramm. Die dralle Krankenschwester mit roten Zöpfen und weißem Häubchen kennt nämlich keine Schweigepflicht, diagnostiziert öffentlich und betreibt eigenwillige Therapiemethoden.

Kabarettist Arnulf Rating ist wieder in die Rolle der erzählfreudigen Sprechstundenhilfe geschlüpft und erzählt "Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle". Das Programm feierte am Mittwoch im Forum am Wasserturm Deutschlandpremiere.

Brust und Bäuchlein sind in den weißen Kittel bereits eingenäht. Arnulf Rating wechselt mehrfach mit einfachem Handgriff die Kostümierung und schlüpft in die Rollen der unterschiedlichsten Patienten, seien es der BKA-Agent oder der Mann von der Bundeswehr, der einen Kampfkanal im Fernsehen fordert, um Afghanistan-Einsätze live zu übertragen. Schließlich sei Deutschland ein "Geiselgeberland", befindet Rating persönlich. Das müsse entsprechend publiziert werden.

Bereits im Eingangsmonolog des Kabarettisten wird alles Wichtige aus Politik, Wirtschaft oder Religion angesprochen. Angela Merkel nennt er nach dem G8-Gipfel nur noch die "Heilige vom Damm", die Packeis zum Schmelzen bringt. Serienbetrügern wie Peter Hartz offeriert er die Untreue-Flatrate der Justiz, für die Gesundheitsreform möchte er dritte Zähne in China bestellen.

Auch Schwester Hedwig kennt ihre prominenten Pappenheimer, schließlich hat sie alle schon einmal in ihrer Sprechstunde empfangen. Nicht nur die Krankenakte von Erich Honecker ging durch ihre Hände. Die halbe Ministerriege um Seehofer, Schäuble und Jung hat sie untersucht, und den Namen Pofalla nimmt sie als Synonym in den Duden auf: "Wenn etwas ganz blöd ist, sagen wir ab sofort ‚Pofalla’", lautet ihr Therapievorschlag.

Während die Schwester im Hintergrund Spritzen aufzieht, entwickelt sich im Wartezimmer auch mal ein von Rating moderierter Dialog zwischen der Schulleiterin Dr. Kathrin Holdenreich-Niederwasser und dem Trendforscher Matthias Murks. Basierend auf dem Buch "Das Lehrerprinzip - Ich bin dann mal weg" wird das Problem von Schläfern in der Schule erörtert und der Weg des Fernsehens als pädagogische Grundversorgung beschritten.

So schnell, wie Arnulf Rating hierfür in den Rollen hin und her springt, schmettert er seine Wortgewalt aufs Publikum. In jeder Randbemerkung steckt eine Pointe, jedes Wort darf komödiantisch hinterfragt werden. "Die Politik ist ein heruntergekommener Gammelladen, in dem uns immer dieselben Klopse serviert werden." Verstanden? Dann bitte lachen.