9. November 1938 Meerbuscher Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht

Meerbusch · Bürgermeister Christian Bommers mahnte, dass sich Ereignisse wie die am 9. November 1938 nie wiederholen dürften.

Auch Schüler des Mataré-Gymnasiums beteiligten sich an der Gedenkaktion in Meerbusch.

Foto: Georg Salzbzrg/Georg Salzburg

Ein Lichtermeer leuchtet am Samstagabend vor dem Mahnmal an der Kemperallee in Lank-Latum. Meerbuscher haben sich vor dem Gedenkort versammelt, der an die Opfer der Reichspogromnacht erinnert. Das Mahnmal zeigt ein Gräberfeld auf Eisenbahnschotter, der auf die Zwangsdeportationen von Juden während der NS-Zeit hinweist.

Die Menschen haben sich versammelt, um der Meerbuscher zu gedenken, die in der Nacht zum 9. November 1938 angegriffen und deportiert wurden. Diese Nacht wurde später Reichspogromnacht genannt. Und „sie war nur der Anfang von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in der Geschichte ohne Beispiel sind“, sagt Christian Bommers, Bürgermeister der Stadt Meerbusch. „Häufig waren es, auch hier bei uns, ganze Familien, die dem Terror und dem kranken Weltbild der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.“

In den Meldeämtern und Archiven ließen sich die Schicksale dieser Familien nachverfolgen. So zum Beispiel auch die Geschichte von der Familie Salomon, die in der Mühlenstraße sechs, circa 200 Meter von dem heutigen Gedenkort wohnte. Von der sechsköpfigen Familie hat keiner die NS-Zeit überlebt. Alle wurden deportiert und ermordet.

Von zwei weiteren Schicksalen erzählen die Schülerinnen und Schüler des Mataré-Gymnasiums. Die sechs Mädchen und Jungen stammen aus dem Leistungskurs Geschichte und sind zwischen 17 und 18 Jahre alt. „Die Schüler haben nach passenden Texten gesucht“, sagt Oliver Tauke. Er ist Geschichts- und Englischlehrer und hat das Projekt mit begleitet. Es gab mehrere Gedichte und Texte zur Auswahl. Letztlich haben sich die Jugendlichen für einen Tagebucheintrag der Kinderärztin Herta Nathorff und dem Gedicht „Du weißt du“ von der Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger entschieden. Zuerst lesen drei Schülerinnen und Schüler den Tagebucheintrag vor. In dem schildert Nathorff, wie ihr Mann in Berlin während der Reichspogromnacht festgenommen wurde. Ein Monat später wurde er wieder aus der Haft entlassen. Die Familie konnte in die USA auswandern und überlebte so den Holocaust. Dann folgt das Gedicht von Meerbaum-Eisinger. Sie stammt aus der Ukraine und musste 1941 in ein Ghetto in Czernowitz ziehen. Ein Jahr später starb sie an Fleckfieber. In dem Gedicht beschreibt sie das Gefühl von Heimatlosigkeit und Verlust.

Zwischen den Wortbeiträgen spielt die Musikpädagogin Christiane Karagaschki auf einer Altblockflöte jiddische Friedenslieder. „Die haben etwas Melancholisches und auch was Tröstendes“, sagt sie. Die Lieder gehören zu der jüdischen Volksmusik Klezmer. Während der NS-Zeit verschwand diese Musik in Europa fast. Erst in den 70er Jahren kam sie wieder zurück.

Heute sei „der Hass gegen alles Jüdische“ wieder gegenwärtig, sagt Bommers. „Neben einem schleichenden, unterschwelligen Antisemitismus erleben wir Szenen offenen Hasses“, sagt er und nennt brennende Israelfahnen und islamistische Hassparolen auf Demonstrationen als Beispiel. Er appelliert an die Meerbuscher, wachsam zu bleiben gegenüber Antisemitismus, denn „Ereignisse wie die des 9. November 1938 dürfen sich niemals wiederholen“, sagt er.

Am Ende der Gedenkstunde stellen die Meerbuscher ihre Kerzen vor dem Mahnmal ab. Dort leuchtet das kleine Lichtermeer noch weiter.