„Veggie World“ fördert die Toleranz
Die Besuchermesse für vegane Produkte feiert Premiere auf dem Areal Böhler. Eine Veganerin und ein Fleischesser berichten über ihre Eindrücke bei einem Rundgang.
Eine ganze Messe rund um das Thema vegane/vegetarische Ernährung — das ist die „Veggie World“ auf dem Areal Böhler, die bis zum vergangenen Jahr noch in Düsseldorf stattfand und nun nach Meerbusch umgezogen ist. Unsere Autoren unternahmen einen Rundgang über die Messe, gingen aber mit unterschiedlichen Sichtweisen an das Thema heran, denn Jana Rechenburg ist Veganerin, Tim Hapers ist bekennender Fleischesser.
Willkommen im Paradies — das Paradies für Veganer und Vegetarier. Schon beim Reinkommen wird mir klar: Bei der Veggie World ist für mich auf jeden Fall etwas dabei. Ich bin seit über zwei Jahren vegan und sehr glücklich mit meiner Entscheidung. Für mich stehen vor allem die ethischen Aspekte im Vordergrund, aber meine Gesundheit und der Umweltschutz spielen mittlerweile eine genauso große Rolle. Sofort fange ich an, mich an den Ständen durchzuschlemmen: Baguette mit Mandelmus, Zartbitter-Hanf-Schokolade und Ravioli in Kürbissoße. Und bei dem kostenlosen „Joghurt“-Eis von Povamel muss ich auch sofort zuschlagen, vor allem weil das frisch hergestellte Eis aus Soja-, Reis- und Kokosmilch auch noch mit Mangogeschmack verfeinert wird.
Veggie-Klassiker wie Tofu-Würstchen und Soja-Joghurt fehlen zwar nicht, aber mich interessieren vor allem die Angebote, die man sonst nirgendwo findet. Zwischen den Superfoods und der veganen Currywurst entdecke ich den Schuhladen Cosi-Cosi, und bin völlig sprachlos angesichts der hochwertigen Lederoptik. „Diese Schuhe bestehen zu 100 Prozent aus Mikrofaser“, versichert mir der Verkäufer. Im Alltag begegne ich als Veganerin immer wieder Vorurteilen und teilweise sogar unfreundlichen Bemerkungen. Deshalb ist es immer erfrischend, auf solchen Veranstaltungen Menschen mit den gleichen Interessen zu treffen. Diese Ansicht teilen auch Nicole Figiel und ihre Tochter Melissa, die sich beide seit fünf Monaten vegan ernähren. „Es ist echt schön, Leute kennen zu lernen, die diesen Lebensstil befürworten“, sagt die 16-jährige Melissa. „Die Veggie World gefällt uns bisher sehr gut. Die Aussteller sind sehr vielfältig und interessant.“
Ich treffe aber nicht nur „eingefleischte“ Veganer auf der Messe: Viele neugierige Karnivoren — Fleischesser — sammeln sich an den Ständen, fragen nach, hören interessiert zu. Es ist schön zu sehen, dass das Thema immer mehr Anklang findet. Und den meisten Besuchern scheinen die Smoothies, Schokolade und Schnitzel ja auch zu schmecken.
Vegetarier? Respektiere ich. Aber selbst einer werden? Wohl eher nicht. Ich esse wirklich gerne Fleisch. Der Besuch der Messe „Veggie World“ wird zu einer Grenzerfahrung. Also, Kopf voran ins „Feindesland“: die Welt von Saitan, Soja-Proteinen und Superfoods. Vor Betreten der Messehalle sammle ich mich noch einmal. „Sachlich bleiben, Vorurteile abstellen und unvoreingenommen an die ganze Angelegenheit herangehen“, ermahne ich mich.
Doch schon die ersten Meter auf der „Veggie World“ lassen mich all diese guten Vorsätze vergessen. Fassungslos beobachte ich, wie sich vor mir eine lange Schlange bildet. In der Auslage des großen Standes liegen abgepackte Würstchen, Schnitzel und Pakete mit Fertig-Geschnetzeltem — für die Würstchen ist jedoch kein Tier gestorben, sondern „nur“ eine Sojapflanze. Richtig abgedreht wird es einige Meter weiter. Nachdem ich ein hervorragendes Bio-Eis probiert habe, fällt mir beim Blick auf einen naheliegenden Stand beinahe das Holzlöffelchen aus der Hand. Dort wird vegetarisches Hundefutter angepriesen. Der Verkäufer bemerkt meine Skepsis. Er rechtfertig seine Idee mit einem besonderen Enzym, das den Tieren eine vegetarische Ernährung erlauben würde.
Von diesen Extrembeispielen einmal abgesehen ist der Besuch der Messe aber auch für Fleischesser interessant. Ich lerne Lebensmittel kennen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe und komme mit überzeugten Vegetariern ins Gespräch. Zudem kann ich leckere Dinge probieren, die ich sonst niemals angerührt hätte. Das Selbstbewusstsein vieler Messeaussteller beeindruckt mich: Gleich zwei Mal wollte man mich überzeugen, dass sogenannte Superfoods wie Chia-Samen oder die Baobab-Frucht die Ernährungsprobleme dieser Welt lösen können. Das wäre schön. Bis ich das aber nicht sicher weiß, bleibe ich doch lieber beim Steak.