1000 Flüchtlinge bleiben dauerhaft
Die Stadt rechnet damit, dass der Bedarf an günstigen Wohnungen bis Ende 2017 enorm ansteigen wird. Diese sind aber rar gesät.
Neuss. Jüngste Umfragen vor der Berlin-Wahl haben es bestätigt: Wenn die Menschen eine Angst mit dem Zuzug von Flüchtlingen in Verbindung bringen, dann ist es die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum. Diese Angst soll in Neuss niemand haben müssen, wünscht sich der neue Sozialdezernent Ralf Hörsken. Ein frommer Wunsch? „Das Problem in Neuss ist, dass wir keine Wohnungen haben“, gibt Hörsken zu, doch das will er nicht hinnehmen. Deshalb putzt er derzeit bei den Fraktionen Klinken. Er muss es tun, denn zum Jahresende hat er — Stand jetzt — nur noch die Traglufthalle am Derendorfweg, um neu ankommende Flüchtlinge unterzubringen.
Die Prognose ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Zahl der Flüchtlinge in der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes (ZUE) sinkt, und damit steigt die Zahl der Menschen, die Neuss dauerhaft aufnehmen muss. Hörsken rechnet mit gut 1000 Neubürgern bis Ende nächsten Jahres. Dabei geht er von der Annahme aus, dass Flüchtlinge in einer ZUE nur noch zur Hälfte auf das Kontingent der Stadt angerechnet werden. Um diesen Zuzug zu regeln, hat Hörsken mit der Bezirksregierung vereinbart, dass Neuss bis Ende Oktober 130 Menschen aufnimmt. Danach sollen es nach seinen Vorstellungen 50 im Monat sein.
Nur, wohin mit den Menschen? In den Notunterkünften hat die Stadt noch 250 freie Plätze in den 74 angemieteten Wohnungen noch drei. Daraus hat Hörsken erste Konsequenzen gezogen. Der ruhend gestellte Rahmenvertrag mit dem Bauverein zur Anmietung von 44 Wohnungen wurde wieder aktiviert. „Da dürften wir noch etwa ein Dutzend zusätzlicher Wohnungen bekommen“, sagt Hörsken, der auch wieder auf dem freien Markt anmieten lässt. „Wir zahlen aber nur, was im sozialen Wohnungsbau üblich ist“, sagt Hörsken. Die Stadt wolle nicht zum Preistreiber werden.
Außerdem hat die Stadt auf Hörskens Veranlassung ausnahmslos alle 27 Standorte, die schon einmal für den Bau eines Übergangswohnheims identifiziert wurden, einer erneuten Überprüfung unterzogen. Neue Kriterien dabei sind die Nähe von Kitas, Schulen und Einkaufsgelegenheiten — damit die Menschen in diesen Quartieren ihr Leben in die eigenen Hände nehmen können und Integration gelingen kann.
„In Massenunterkünften sind alle Aspekte einer Integration unmöglich“, sagt Hörsken. Und das sagt er vor allem den Bürgerinitiativen, die in der ZUE im ehemaligen Alexianer-Krankenhaus dauerhaft „städtische“ Flüchtlinge einquartieren wollen, damit dezentrale Quartiere gar nicht erst gebaut werden.
Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung ist deshalb für Hörsken. dass schnell neuer und bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird. „Ich behaupte, wir haben noch Spielraum, um preiswerter zu bauen“, sagt der Dezernent, der für die Wohnungsmisere auch Versäumnisse der Stadt und des Bauvereins ausmacht, der „schön“ aber zu teuer Wohnraum baut: „Da ist die Bodenhaftung verloren gegangen.“