Archiv der Neusser Schraubenfabrikist durch das Stadtarchiv gesichert
In einem Keller lagerte das Archiv von „Bauer & Schaurte“.
Neuss. Zwischen zwei Insolvenzen konnte das Stadtarchiv zugreifen. In einem Keller hat Stadtarchivar Jens Metzdorf das Firmenarchiv der Neusser Schraubenfabrik aufgestöbert und gesichert. Das glückte schon vor zwei Jahren, doch Metzdorf verschwieg den Fund.
Erstens, weil der US-Investor Whitesell, der sich damals anschickte, den insolventen Automobilzulieferer aus der Ruia-Gruppe zu übernehmen, im Übernahmevertrag auf Vertraulichkeit bestand. Vor allem aber wollte Metzdorf nicht „in hoffnungsvollen Zeiten ein falsches Signal senden“. Denn bis Ende September das endgültige Aus für die Firma verkündet wurde, glaubten und arbeiteten viele daran, das im Jahr 1876 als „Rheinische Schrauben- und Mutternfabrik“ gegründete Werk doch noch zu retten.
Als vor einer Woche die letzte Schicht im Stammwerk gefahren wurde, verloren sich 30 Mitarbeiter in den Firmengebäuden. In seiner Hochzeit im Zweiten Weltkrieg zählte „Bauer & Schaurte“ als kriegswichtiger Betrieb alleine in Neuss fast 3000 Beschäftigte. Insgesamt waren es — einschließlich der Standorte in besetzten oder annektierten Gebieten — über 10 000. Wie man heute weiß, waren darunter Tausende Zwangsarbeiter. Als das Stadtarchiv jedoch 2001 das Schicksal dieser „Fremdarbeiter“ in Neusser Firmen erforschen wollte, galt das Firmenarchiv als vermisst.
Dahinter muss nicht unbedingt ein Vertuschungsversuch stecken. Eingerichtet wurde das Firmenarchiv in den 1920 Jahren unter Werner Schaurte. Unter seinem Sohn und Nachfolger Christian jun., der das Unternehmen 1981 verließ, wurde das Archiv nicht mehr systematisch gepflegt. Statt dessen wurden die Bestände in den Keller verfrachtet, wo sie mehr schlecht als recht untergebracht waren. „Es sah wild aus“, erinnert sich Metzdorf an den Fundtag. „Doch wir konnten noch eine archivalische Ordnung erkennen.“ Unter dem Material gab es nichts, was nicht konservatorisch behandelt werden musste. Doch darüber hinaus ist die Mannschaft im Stadtarchiv schon einen Schritt weiter Richtung Erschließung der Bestände gekommen. „Wenn wir etwas suchen, finden wir es auch“, sagt Metzdorf, der sich vor allem über die Mitarbeiterkarteien freut. Denn bei „Bauer & Schaurte“ zu arbeiten, war oft Familientradition.
Im Werk selbst läuft derzeit der Ausverkauf des Maschinen- und Geräteparks, in der Politik wird über den Ankauf der Liegenschaft verhandelt. Das Wissen um die Historie dieses einstmals größten deutschen Schraubenherstellers aber ist gesichert und könnte wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
Anhand der Bestände könne exemplarisch die Wirtschafts- aber auch die Sozialpolitik von der Gründerzeit im 19. Jahrhundert bis in die globalisierte Gegenwart gezeichnet werden, sagt Metzdorf. Und mit den weltbekannten Formaten Inbus und Verbus, wobei die Silbe „bus“ immer für „Bauer & Schaurte“ steht, habe die Firma ja auch Technikgeschichte geschrieben.