BoA-Unfall: RWE fordert 1,3 Milliarden Euro
RWE Power klagt vor dem Landgericht Mönchengladbach gegen ein Konsortium von Hitachi und Alstom.
Grevenbroich. Der schwere Unfall beim Bau des BoA-Kraftwerks in Neurath hatte die Menschen vor mehr als acht Jahren erschüttert. Drei Arbeiter waren beim Zusammenbruch eines Gerüsts in mehr als 100 Metern Höhe abgestürzt und ums Leben gekommen. Jetzt hat die Katastrophe vom 25. Oktober 2007 ein Nachspiel vor dem Landgericht Mönchengladbach. Dabei geht es um einen Milliardenbetrag.
Am 26. Februar um 9 Uhr zieht RWE Power gegen ein Konsortium aus Hitachi Power Europe (Duisburg), Hitachi Ltd. (Japan) und Alstom Power Systems (Mannheim) vor den Richter. Die Parteien streiten nicht nur darum, wer den Unfall zu verantworten hat. Es geht auch um die erheblichen finanziellen Folgen, die durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den damit verbundenen monatelangen Stillstand des BoA-Baus entstanden.
„Insgesamt handelt es sich um drei Zivilverfahren, die — weil sie die selben Beteiligten haben — auf einen Tag terminiert sind“, sagt der Gladbacher Gerichtssprecher Jan-Philip Schreiber. „Die geltend gemachten Ansprüche sind sehr umfangreich. Die RWE Power verlangt von dem Konsortium insgesamt 1,3 Milliarden Euro, größtenteils Schadenersatz für begangene Pflichtverletzungen beim Bau der Anlage.“ Zu der klassischen Schadenersatzforderung, sagt der Gerichtssprecher, kämen aber auch noch Strafen aus bestimmten, sehr komplexen Vertragsklauseln hinzu.
Das Konsortium verlange seinerseits von RWE Power rund 290 Millionen Euro. „Dabei handelt es sich hauptsächlich um Vergütungsansprüche“, sagt Jan-Philip Schreiber. „Das Konsortium will außerdem gerichtlich feststellen lassen, dass es keine Haftung für weitere Ansprüche übernimmt.“ Für die Verfahrensakten, die in nicht weniger als 26 Umzugskartons lagern, wurde im Landgericht Mönchengladbach ein eigener Raum eingerichtet. „Wenn es am 26. Februar keine Einigung gibt, ist keine kurzfristige Entscheidung zu erwarten“, sagt der Gerichtssprecher.
RWE Power wollte keine Stellungnahme zum Verfahren abgeben. Anders Helge Schulz, Sprecher der Hitachi Power Europe, die den Großdampferzeuger für das Neurather BoA-Kraftwerk lieferte, erklärte: Nachdem es auf schiedsgerichtlichem Wege keine Einigung gegeben habe, „klagen wir nun wegen der Bauverzögerung, die durch den Unfall entstanden ist, und den daraus resultierenden Mehrkosten“.
Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach habe im Ermittlungsverfahren zu den drei Todesfällen festgestellt, dass niemandem eine individuelle Schuld zuzuweisen sei. „Das ist für uns ein Zeichen, dass es sich bei dem Unfall um höhere Gewalt gehandelt hat“, sagt Schulz. In solchen Fällen sei der Bauherr für Verzögerungen verantwortlich.
Knapp 14 Monate hatten die Ermittlungen nach dem Unfall gedauert. Sämtliche Trümmer wurden nummeriert und auf ein separates, von der Polizei überwachtes Gelände transportiert. Um den Unfallhergang zu rekonstruieren, wurden die Stahlteile wie ein Puzzle zusammengesetzt. Zeitweise waren bis zu 25 Spezialisten einer Sonderkommission mit der Aufklärung beschäftigt.
Die Ermittlungen, die im Dezember 2008 eingestellt wurden, verzögerten nicht nur den Bau des neuen 2200-Megawatt-Kraftwerks. Auch das mit dem Land vereinbarte Abschalten der alten 150-Megawatt-Blöcke, das im Kraftwerk Frimmersdorf mit der BoA-Inbetriebnahme einhergehen sollte, verspätete sich.