Kunstprojekt schafft Verständnis

Die Kaarster VHS bietet Flüchtlingen in einem Workshop die Möglichkeit, sich auszudrücken. Das geschieht mit Bildern, Skulpturen oder auch Näharbeiten.

Foto: A. Tinter

Kaarst. Ein Sofa und zwei Sessel mit gelben Blütenkissen, davor ein Couchtisch mit einer Blumenvase. „Jetzt formen wir den Fernseher“, sagt Anees und dreht ein Stück Ton in der Hand. Der 35-Jährige kommt aus Pakistan. Vor fünf Monaten ist er aus seiner Heimat geflüchtet. Nun lebt er in Kaarst — und ist einer von acht Flüchtlingen, die am Samstag beim Workshop „Viele Nationen — ein Dorf — eine Stadt“ dabei waren. Initiiert worden ist der Werkstatt-Tag von der Kaarster Volkshochschule (VHS).

Der von Ursula Ringes-Schages geleitete Kursus ist Teil eines lang angelegten Kunstprojekts für Flüchtlinge. Neben gestalterischem Arbeiten umfasst es auch Mal-, Näh- und Bildhauer-Workshops.

Christoph Claßen, VHS

„Es geht darum, dass wir den Menschen die Möglichkeiten geben wollen, mit verschiedenen Materialien auszudrücken, was sie bewegt. Die Ergebnisse wollen wir in einer großen Ausstellung in unserem Foyer präsentieren“, erklärt Christoph Claßen von der VHS. Eine Idee, die die Kaarster Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus begeistert. „Es ist wichtig, den Menschen mehr zu geben als Essen und Trinken“, stellt sie bei ihrem Besuch des Workshops fest.

Theresa Meyer und Katharina Pott tun das schon lange. Die Schülerinnen engagieren sich ehrenamtlich im Flüchtlingscafé der St. Martinus-Gemeinde. „Ich war ein Jahr in Italien und habe miterlebt, wie anonym die Flüchtlinge dort auf der Straße leben müssen. Die meisten Italiener nehmen kaum Notiz von ihnen. Ich finde, so darf es in Deutschland nicht sein“, sagt die 18-jährige Theresa.

Auch ihrer Freundin Katharina ist dies wichtig. Flüchtlinge sollen nicht als „uniforme Masse“ wahrgenommen werden. „Sie sind Individuen. Jeder hat ein eigenes Schicksal. Es sind zum großen Teil faszinierende und liebenswerte Menschen“, sagt sie. Die 17-Jährige ist ganz begeistert von der Maske, die der Syrer Ahmed aus Ton geformt hat. „Hat aber auch erst beim zweiten Versuch geklappt“, sagt er schmunzelnd.

Ursula Ringer-Schages, Leiterin des Töpfer-Workshops

Der 21-Jährige ist vor fünf Monaten aus seiner Heimat geflüchtet. Terror und Flucht hat er gesund überstanden und lebt jetzt in einer Kaarster Not-Wohnung. „Ich bin sehr froh, in Deutschland zu sein. Die Menschen sind nett — und es ist friedlich“, sagt er. Dass sich nicht alle aus Kriegsgebieten geflüchteten Menschen so lange wie Ahmed auf eine Arbeit konzentrieren können, weiß Susanne Enkel. „Viele sind schwer traumatisiert. Deshalb halten wir die VHS-Kunst-Angebote offen. Sie können zu uns kommen und gehen, wann sie wollen“, erklärt die psychosoziale Beraterin der Stadt Kaarst.

Israa ist froh über das Töpfer-Angebot am Samstag. „Es ist toll“, sagt die 29-jährige Syrerin. Sie formt Möbel für das gemeinsame Dorf, das an diesem Nachmittag entstehen soll. „Jetzt mache ich ein Gitterbettchen fürs Baby. So wie es in meiner Heimat aussieht“, erklärt sie. Ein Stück Zuhause in einer fremden Welt, das ist es, was Ursula Ringer-Schages den Teilnehmern geben will. „Gemeinsam etwas aufzubauen, ist ein guter Weg, einander zu verstehen“, betont sie. Aus dem Dorf der Flüchtlinge soll im Sommer eine Stadt wachsen. „Wir werden es beim Fest ‚Viele Nationen eine Stadt’ präsentieren“, erläutert Susanne Enkel.