Neuss. Vor 65 Jahren kam das Aus von oben. Reichsinnenminister Frick gab dem Düsseldorfer Gauleiter Florian zu verstehen, dass er die Eingemeindung von Uedesheim nicht weiter betreiben solle. Der Neusser Oberbürgermeister hatte sich durchgesetzt: Ein Beispiel dafür, dass während der NS-Zeit Kommunalpolitik auch gegen erklärten Parteiwillen funktionieren konnte.
Die Begehrlichkeiten von der anderen Rheinseite waren auch damals nicht neu. Schon 1908, als Heerdt und die Mündung des Erftkanals in den Rhein den "Eigentümer" wechselten, machte die Stadt Düsseldorf keinen Hehl aus ihren weiterführenden Absichten. 20 Jahre später konnte die Stadt Neuss nur mit großer Kraftanstrengung und dank massiver Unterstützung von Konrad Adenauer in Berlin die massiven Eingemeindungsversuche des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Robert Lehrs abwehren.
Der versuchte, im Rahmen der groß angelegten kommunalen Neugliederung im Neusser Süden Land zu gewinnen. Nach dem Zugewinn im Norden eine echte Zangenbewegung; auch der Hafen sollte über eine gemeinsame Betriebsgemeinschaft allmählich von Düsseldorf dominiert werden. "Neuss wird in Düsseldorf aufgehen", hatte er unumwunden geäußert. Die gemeinsame Stadtgrenze Düsseldorf mit Köln aber wusste dann Konrad Adenauer zu verhindern.
Nur etwa zehn Jahre später wurden die Pläne wieder konkret. Friedrich Karl Florian, "Beauftragter des Führers zur Neugestaltung Düsseldorfs" hielt eine Neuordnung der Stadt "im nationalsozialistischen Geiste für unumgänglich". Und die sah nicht nur Repräsentatives vor, sondern auch neuen Raum für Industrie und Wohnbebauung - im Neusser Süden. Auch die alten Hafenpläne wurden von Florian und Oberbürgermeister Carl Haidn aktiviert; es sollte eine AG entstehen, die über in Neuss unbekannte zusätzliche Aktionäre den Düsseldorfern ein Übergewicht ermöglicht hätten.
Der Neusser Oberbürgermeister Wilhelm Tödtmann, natürlich ebenfalls überzeugter NS-Mann, spielte auf Zeit. Der Gauleiter baute Druck über die Parteischiene auf, aktivierte auch den Neusser Kreisleiter Erich Börger. In zahlreichen Briefen und Aktennotizen des peniblen Neusser Stadtchefs sind die Wege zwischen Neuss, Düsseldorf und Berlin dokumentiert. Denn Tödtmann wandte sich schließlich an Reichsinnenminister Wilhelm Frick, erinnerte an einen Erlass, der Eingemeindungspläne - um den inneren Friedens während der Kriegszeiten willen - zurückstellen ließ. Die Reaktion kam prompt. Börger unterrichtete Tödtmann, er habe den Gauleiter desavouiert, und es bleibe ihm nichts, als sein Amt zur Verfügung zu stellen. Sonst hätte er "die Hölle auf Erden", wie es in einem Aktenvermerk heißt.
Tödtmann folgte dem und war für zwei Wochen kein Oberbürgermeister. Dann kam der Bescheid aus Berlin. Florian, seit 1933 Ehrenbürger von Neuss, musste den unbotmäßigen Stadtchef 1942 wieder einsetzen. Über die Eingemeindungen im Neusser Süden und die Beherrschung des Hafens wurde nicht mehr gesprochen.