Fall Daniel D.: Cousin erneut vor Gericht
Die Familie hofft, dass in dem Verfahren gegen den bereits wegen Totschlags Verurteilten die Wahrheit ans Licht kommt.
Kaarst/Korschenbroich. Vielleicht kommt die Wahrheit heute doch noch ans Licht, beim Prozess vor dem Wuppertaler Landgericht. Die Familie des vor zwei Jahren getöteten Daniel D. hat die Hoffnung auf Gewissheit noch nicht aufgegeben. Eigentlich ist sie so ziemlich das Einzige was Daniels Eltern Hilde und Klaus D. — genauso wie Hilde D.s Schwester, der Mutter des wegen Totschlags verurteilten ehemaligen Aushilfssportlehrers — nach dem Gerichtsverfahren im Sommer 2014 geblieben ist.
„Auf juristische Gerechtigkeit warten wir nicht mehr“, sagt Klaus D. „Daniel ist tot, den bringt uns kein Prozess der Welt zurück. Aber das Wissen, dass der Täter schweigen darf und bis heute im Gefängnis sitzt, ohne sich mit dem, was er getan hat, ernsthaft auseinanderzusetzen, ist unerträglich.“
Ein Brief, den sein Neffe im September vergangenen Jahres aus der Haft heraus an seine Ex-Freundin geschrieben hat, liegt auf dem Esszimmertisch. Er beweise, wie „dieser Mensch“ ticke, sagt Klaus D. und zitiert einen Teil: „Unter anderem heißt es hier: ,Wenn das nicht passiert wäre, hätte ich mich wohl selbst umgebracht, ich war wirklich am Tiefpunkt. Ich dachte, ich bin 28, habe das mit dem Studium nicht geschafft und dass mein Leben vorbei wäre’.“ Klaus D. sagt, für ihn klinge das wie ein letztes fehlendes Puzzleteil: „Das, was in dem Brief steht, passt klar zu unserer These“, sagt er. „Daniel ist hinter die Studienlüge seines Cousins gekommen, weil ich ihn gebeten hatte, sich um die Sache zu kümmern. Er wusste auch, wie er an Informationen kommt, weil er selber mal im Studierendenbüro gearbeitet hat.“ Die Familie D. glaubt, dass ihr Sohn und Neffe starke Komplexe hatte, dass er befürchtete, sein damalige Freundin zu verlieren und dass Daniel D. deshalb sterben musste. Beweisen ließ sich das bislang nicht.
Was ist am 11. Dezember 2013 passiert? Warum haben sich die beiden Männer, die in Korschenbroich wie Brüder „Garten an Garten“ aufwuchsen, am späten Abend an der K 37 in Büttgen getroffen? Und wie konnte der jüngere und kleinere der beiden dem körperlich überlegenen Daniel D. den Schädel zertrümmern? Diese Fragen sind nach wie vor nicht geklärt. Vor dem Landgericht Düsseldorf, das den 29-Jährigen zu zehn Jahren Haft verurteilt hat, gab der Korschenbroicher lediglich zu, für den Tod seines Cousins „verantwortlich zu sein“. „Ein taktisches Geständnis ohne eine Spur von Reue“, sagt Klaus D. „Dieser Mensch hat uns alle getäuscht. Wir dachten, er ist ein halbwegs fleißiger Student.“
In Wahrheit sah das Leben des 29-Jährigen aber wohl ganz anders aus. Tatsächlich arbeitete der Korschenbroicher damals als Aushilfslehrer am Willicher St.-Bernhard-Gymnasium. Er studierte Sport und Geschichte auf Lehramt, Letzteres allerdings nicht erfolgreich. Auf seinem Computer fanden die Ermittler nicht nur Nacktfotos von Schülerinnen, sondern auch eindeutige Hiweise darauf, dass sich der Langzeitstudent gefälschte Studienbescheinigungen erschlichen hatte.
Eine damals 47 Jahre alte Dozentin der Universität Wuppertal hatte sie ihm gegen Sex beschafft. Dabei, sagte der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert im vergangenen Jahr, sei die Initiative eindeutig vom Angeklagten ausgegangen. Ende 2011 habe er sich recht geschickt an die Erziehungswissenschaftlerin herangemacht. „Er hat zunächst Kontakt als hilfesuchender Student aufgenommen, dann eine erotische Beziehung aufgebaut und schließlich um Hilfe bei der Zulassung zum Examen gebeten. Angeblich befand er sich in einer Lebenskrise.“ Die Dozentin, sagt der Staatsanwalt, habe sich von ihrem Studenten umgarnen lassen, Bescheinigungen ausgestellt und dann an das zuständige Landesprüfungsamt übersandt. Der Angeklagte soll vorgehabt haben, sich auf diesem Weg seine Zulassung zum Examen zu erschleichen. Offenbar war er auch in den Besitz intimer Fotos gelangt.
Für Klaus D. ist das keine Überraschung: „,Lug und Betrug haben mein Leben geprägt und ich hab alles anderes einfach ausgeblendet’“, zitiert er einen weiteren Teil aus dem Brief seines Neffen. Und: „,Durch die ganze Zeit, in der ich dieses Verhalten einstudiert hatte, kam es mir auch nicht mehr falsch vor’.“
Im Falle einer Verurteilung wegen Anstiftung zur Falschbeurkundung im Amt drohen dem 29-Jährigen bis zu fünf Jahre Haft.