Geschichte in Grevenbroich: Auf den Spuren der Hülchrather Juden

Heimatforscher Christian Wiltsch zeigte bei einer Führung, wie viel jüdische Geschichte im kleinen Ort noch heute steckt.

Hülchrath. Erst auf den zweiten Blick sind sie zu erkennen, die Spuren jüdischen Lebens in Hülchrath. Hier ein Davidstern im Hausgiebel, dort ein Ornament, das sich als eine Reihe von Thora-Rollen entpuppt. Heimatforscher Christian Wiltsch kennt sie alle. Er führte am Freitagabend Geschichtsinteressierte durch den Ort und erklärte, was vom jüdischen Leben in Hülchrath übrig geblieben ist. "Die Hinweise auf jüdisches Leben, die hier zu finden sind, gehören zu den Ältesten in NRW", erklärte Wiltsch. Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammen beispielsweise jüdische Grabsteine, die über dem Tor des Schlosses im obersten Gesims eingemauert wurden. Die Steine stammen ursprünglich aus Köln, wo sie während der Kölner Unruhen 1349 vom jüdischen Friedhof entfernt und in der damaligen Burg verbaut wurden. Ein größerer jüdischer Zuzug begann im 17. Jahrhundert: "1608 erhielt Hülchrath vom Erzbischof in Köln das Privileg, drei Jahrmärkte im Jahr abhalten zu dürfen. Damit wurde der Ort für jüdische Händler interessant und im Laufe der Zeit siedelten sie sich hier an." Da ihnen Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in Zunft-Gewerben verwehrt wurden, blieb ihnen zwangsläufig nur der Handel und das Geldgeschäft. Die Hülchrather Juden durften etwa bis zum 19. Jahrhundert keine eigenen Häuser besitzen und wohnten daher zur Erbpacht. 1875 wurde mit dem Bau der ersten eigenen Synagoge begonnen, die am 12. Mai 1876 geweiht wurde. Davor nutzen die jüdischen Einwohner einzelne Zimmer in Wohnhäusern, wie etwa im Bürgermeisteramt, für ihre Betstunden. Fast zeitgleich mit der Einweihung wurde die israelische Synagogen-Gemeinschaft gebildet. In der Nazi-Zeit ab 1938 jedoch wurde das Gebäude als Schlachthaus, Kühlhaus und Wurstküche zweckentfremdet. Der Originalzustand konnte durch die massiven Umbauten nicht mehr hergestellt werden. Erst im November 1999 wurde das Gebäude durch Ministerpräsident Johannes Rau als Kultur- und Begegnungsstätte eingeweiht. Weitere Hinweise auf jüdisches Leben sind am Ortsrand auf dem letzten von drei jüdischen Friedhöfen zu finden. Familiennamen wie Vasen, Strauss und Wolf sind dort noch heute auf den Grabsteinen zu lesen. Weitere Zeichen findet man an Häusern, wie beispielsweise Glaubens-Ornamente oder die Spuren der Reichspogromnacht. An einem Haus im Ortskern sind die Ereignisse der Nacht vom 9. November 1938 noch deutlich sichtbar. Es wurde mit Hasstiarden beschmiert, sodass SA-Schlägertruppen aus Neuss ihre Opfer leichter finden konnten. Bei der Deportation 1942 lebten im Ort nur noch drei jüdische Familien. Die vor drei Jahren gegründete "Dorfgemeinschaft Hülchrath" engagiert sich heute sehr für seine Geschichte. So verweist die von ihr an der "Ehemaligen Synagoge" angebrachte Gedenktafel auf das jüdische Schicksal und die heutige kulturelle Nutzung des Gebäudes. Beim Landeswettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" hatte Hülchrath 2003 dafür sogar einen Denkmal-Sonderpreis erhalten.