Grevenbroich/ Neuss: Kundgebung als Familienfest
Gewerkschaft gibt sich selbstbewusst: Wirtschaftskrise beschert DGB Zulauf.
Grevenbroich/ Neuss. "Gute Arbeit bei fairem Lohn" hieß am Freitag das Motto der Maikundgebungen in Grevenbroich und Neuss. Der stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Walter Rogel-Obermanns war zufrieden: "Wir hatten in den vergangenen Jahren konstant an die 600 Besucher."
Davor hatte die Maikundgebung in Grevenbroich nur eine untergeordnete Rolle gespielt, erinnert sich Gewerkschaftler Süha Calli: "Aber wir haben uns so reingekniet, dass die Maikundgebung heute ein Familienfest geworden ist."
Entspannt war die Stimmung am Freitag auf dem Schlossplatz tatsächlich. Beim Klönen und Feiern wollten es die Gewerkschaftler freilich nicht belassen, wie Hydro-Betriebsratsvorsitzender Ernst Schumacher in seiner Rede klar machte.
Im Namen der Gewerkschaften forderte er von den Arbeitgebern auf Entlassungen zu verzichten und genügend Ausbildungsplätze zu schaffen. Es müsse Schluss sein mit einer Wirtschaft, die die Gewinne bei den Unternehmen belasse, während sie für deren Verluste die Allgemeinheit zur Kasse bittet.
Als Mitarbeiter von Hydro ist Schumacher nah dran an der derzeit größten Betriebsschließung im Kreis. Während das Werk in Neuss ("Rheinwerk") spätestens im Juni geschlossen werden soll - der Grevenbroicher Standort ist von der Schließung nicht direkt betroffen - geben sich die Gewerkschaften selbstbewusst.
Die Wirtschaftskrise beschert den Arbeitnehmervertretungen enormen Zulauf, wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Tagebaus Garzweiler, Klaus Emmerich, beobachtet: "So schrecklich es klingt: Die Angst um den Arbeitsplatz schweißt alle zusammen. Das haben wir im Tagebau schon öfters erlebt." Emmerich ist Sprecher des Regionalforums Erft in der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE).
Der Großteil der immerhin 3.500 Mitglieder arbeitet in der Energiebranche. Dort wird sich die Krise wohl erst in den nächsten Monaten bemerkbar machen, wenn die Großunternehmen kurzarbeiten lassen und entsprechend weniger Energie abnehmen.
"Bei uns bei RWE geht’s noch", meint Jan Spennrath, Jugendvertreter im Tagebau Garzweiler. Derzeit bietet der Betrieb noch allen Auszubildenden nach der Lehre zumindest befristete Arbeitsverträge an. Dennoch beobachtet der 22-Jährige steigenden Leistungsdruck und Angst um den Arbeitsplatz.
Bei Erftcarbon ist es schon so weit. Von den 41 zur Streichung vorgesehenen Stellen konnte der Betriebsrat jedoch zwölf retten, berichtet Süha Calli. Dies habe die Geschäftsführung auf der Betriebsversammlung am Donnerstag bekannt gegeben. Auf Vorschlag des Betriebsrates habe man die Kündigungen durch Kurzarbeit abgefangen. "Immerhin: Das kleinere Übel", resümiert Calli.