Naherholungsgebiet im Norden von Neuss „Jröne Meerke“ wird erweitert
Nordstadt · Am Parkplatz Viersener Straße wird gebuddelt und gebaggert. Kanalarbeiten, wie man sieht, doch dahinter steckt noch mehr.
Das Naherholungsgebiet „Jröne Meerke“ auf der Furth wird erweitert. Die Größenordnung ist vielleicht nicht spektakulär, doch aus ökologischer Sicht ein Zugewinn. Denn im Anschluss an die großen Wiesen soll auf etwa 900 Quadratmeter Erweiterungsfläche eine artenreiche Wildblumenwiese angelegt werden. Die wird direkt an den Parkplatz Viersener Straße grenzen. Peter Becker (90) aber will von alledem nichts sehen. Denn die geplante Wiesenfläche war über fast zwei Jahrhunderte im Besitz seiner Familie.
Bevor eingesät werden kann, muss noch eine Menge passieren. Auf dem Parkplatz Viersener Straße stehen zum Beispiel derzeit Kanalbaumaßnahmen an, die nach Auskunft der Stadt vielleicht schon in der kommenden Woche abgeschlossen werden können. Während der Arbeiten ist die Hälfte der Stellplätze nicht nutzbar. Aber es ist ja auch nicht gerade die Jahreszeit, in der sich größere Gruppen vom Parkplatz aus auf den Weg in Richtung See, Trimm-Dich-Pfad oder zur Grillstelle machen. In einem zweiten Schritt werden dann die beiden Häuser mit der Adresse Viersener Straße 39-41 abgerissen.
Sie sind Relikte aus einer Zeit großer Not und großen Mangels, denn sie wurden von Beckers Vater beziehungsweise Onkel kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit großer Eigenleistung in den Jahren 1945 und 1946 errichtet. Als Notunterkunft der Familien.
Über diesen Zustand sind die von einem große Garten umgebenen Häuschen bis heute nicht hinausgekommen. Vor etwa 30 Jahren habe er die 48 beziehungsweise 50 Quadratmeter Platz bietenden Gebäude ausbauen und dort selbst einziehen wollen, berichtet Becker. Doch statt einer Baugenehmigung, die seinem Vorhaben nicht erteilt werden konnte, kam nur ein Vertrag mit der Kommune zustande, in der diese sich ein Vorkaufsrecht sicherte.
Diese Option zog, als sich Peter Becker, der seit 1984 alleiniger Besitzer der gesamten Liegenschaft war, vor vier Jahren von diesem Hobby trennte. „Ich hatte den Spaß verloren“, gibt er zu, zumal er bei der Gartenarbeit zunehmend auf Hilfe angewiesen war. Seine Tochter habe das Objekt nicht haben wollen, dem Mieter von einem der Häuser wurde gekündigt. Jetzt stehen vor der Beckerschen Laube Abbruchcontainer, hat sich der Senior von seiner Tochter berichten lassen. Sie muss dort Tag für Tag auf dem Weg zur Arbeit nach Holzbüttgen vorbei. Becker selbst meidet den Platz.
An dem Objekt hängen auch viele Erinnerungen, denn die Beckers zählen, wie schon in einem NGZ-Bericht aus dem Herbst 1936 nachzulesen ist, zu den „Urvätern jenes nördlichen Viertels“, in dem sie sogar Flurnamen prägten. „Nählschmetts Berg“ wurde die Stelle benannt, wo heute der an den Parkplatz grenzende Bolzplatz liegt. Dort betrieb ein Johann Becker ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Nagelschmiede. In diesem Haus wurden 1857 Peter Beckers Opa, 1905 Beckers Vater und 1935 er selbst geboren. Dazwischen lag eine kommunale Grenzverlagerung, sodass sein Vater Kaarst, Becker selbst aber Neuss in der Geburtsurkunde stehen hat.
Die Nagelschmiede wurde 1972 abgebrochen, nun folgen die übrigen Bauten. Ende Februar werden sie verschwunden sein, lässt eine Sprecherin der Stadt wissen, beinahe parallel erfolgen Rekultivierung und Umgestaltung. Zurück bleibt nur „Beckers Kastanie“, wie der 1912 im Vorgarten der Nagelschmiede gepflanzte Baum von älteren Furthern noch immer genannt wird. Heute breitet sie einen Teil ihrer Krone über dem Parkplatz aus.
Die große Parzelle mit den beiden Nachkriegshäuschen die Becker, der an der Venloer Straße nur auf Etage wohnt, lange ein grüner Rückzugsort war, geht also nun im Freizeit- und Naherholungsgebiet Jröne Meerke auf. Bis zum Frühjahr, heißt es aus dem Rathaus, wird auf dieser Fläche eine landschaftsökologisch wertvolle Wildblumenwiese entstehen. Auf eine pompöse Entwurfs- und Ausführungsplanung wurde verzichtet. Die Bodenarbeiten werden einfach im Rahmen der Abbrucharbeiten erledigt.