Kaarst betreut jugendliche Flüchtlinge an zwei Standorten

Meist handelt es sich um junge, allein reisende Männer, die in Obhut genommen werden.

Kaarst. Wenn Kinder vom Jugendamt aus der Familie geholt werden müssen, wird es für die Stadt teuer. Zum Glück geschieht dies nur selten. Was in letzter Zeit immer häufiger vorkommt, aber ebenfalls einen bedeutenden Kostenfaktor darstellt: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen vom Jugendamt in Obhut genommen werden. Neben der Einrichtung der Evangelischen Jugend- und Familienhilfe in Büttgen sind minderjährige Flüchtlinge, für die Kaarst sorgen muss, auch in einer ehemaligen Kindertagesstätte in Neuss untergebracht, und zwar zum Tagessatz von 177 Euro.

Detlef Wiecha, Evangelischer Verein für Jugend- und Familienhilfe

Detlef Wiecha vom Evangelischen Verein für Jugend- und Familienhilfe gab den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses jetzt einen Einblick in die Arbeit mit den minderjährigen Flüchtlingen. „Es handelt sich meistens um männliche Jugendliche, die um die 14 Jahre alt sind, jüngere Flüchtlinge und Mädchen kommen nur ganz vereinzelt“, erklärte Wiecha. Es werde kein Unterschied gemacht zwischen der Betreuung von in Kaarst lebenden Kindern und Jugendlichen einerseits und Flüchtlingskindern auf der anderen Seite. Anders ausgedrückt: Auf das ganze Instrumentarium der Jugendhilfe haben auch Flüchtlingskinder einen Anspruch.

Wiecha beschreibt sie so: „Viele sind hochmotiviert, die deutsche Sprache zu lernen.“ Die Spannweite in Bezug auf ihr Wissen sei enorm. Das bedeutet: „Einige von ihnen haben überhaupt keine Bildung.“ Viele standen in Büttgen einfach vor der Tür und baten um Hilfe. „Ihre Lebens- und Flüchtlingsgeschichten sind für uns unvorstellbar“, sagte Wiecha. Woher er das weiß: Neben einem Wachdienst seien fast ständig Dolmetscher verfügbar.

Die minderjährigen allein reisenden Flüchtlinge sind meistens die ältesten Söhne der Familien. Es sind die Stärksten, die die Familie vorschickt in ein europäisches Land. Nebenbei entziehen sie sich mit der Flucht auch dem Zugriff der Taliban, die immer auf der Suche nach neuen Kämpfern sind. In Deutschland sind die Jugendämter auch dann zuständig, wenn ein Flüchtling zwar schon mindestens 18 Jahre alt, in seinem Herkunftsland aber noch nicht volljährig ist. Neuankömmlinge werden zunächst einem sogenannten Screening unterzogen, das rund zwei bis vier Monate dauert. Mit deutscher Gründlichkeit wird die Situation des jungen Menschen analysiert. Ist er traumatisiert? Ist eine Familienzusammenführung möglich? Wie ist sein Gesundheitszustand? Diese und andere Fragen müssen geklärt werden. „Das ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden“, gab Wiecha zu verstehen.

In Kaarst wurden von Januar bis Ende September für zwölf minderjährige Flüchtlinge Vormundschaften beantragt. Insgesamt gibt es für diesen Personenkreis derzeit rund 30 Vormundschaften. Hinzu kommt, dass der Soziale Dienst zurzeit etwa zehn Flüchtlingsfamilien betreut, vier Familien wird Hilfe zur Erziehung in ambulanter Form gewährt.

Nicht zuletzt weil die Übergangsheime überbelegt sind, ist die Stadt bemüht, geeignete Wohnungen zu finden, um die in Obhut genommenen jungen Menschen unterzubringen.