Kaarst: Eine Tasse Teer in den Lungen
Prävention: In der Hauptschule Büttgen zeigt Dieter Kessler, was es bedeutet, süchtig zu sein.
Kaarst. "Das ist das Grab von Johanna. Sie starb an einer Überdosis Valium und Alkohol", sagt Dieter Kessler, Initiator der Vision Suchtselbsthilfe, und alle Gespräche im Saal der Gemeinschaftshauptschule Büttgen verstummen. Die Siebtklässler starren erschrocken auf den Sarg, der im Rahmen einer Wanderausstellung zur Sucht-Prävention aufgestellt wurde.
Johanna ist kein Einzelfall. Derzeit betreut Kessler 120 Menschen. "Ich habe selbst beinahe einen Freund durch Drogen verloren. Seitdem weiß ich, wie wichtig Hilfe ist." In seinen Vorträgen zeigt er Schülern auf eine radikale Weise, dass Rauschmittel alles andere als harmlos sind.
Die Ausstellung entwickelte er mit jungen Suchtbetroffenen. Tausende Zigaretten in Plexiglas-Röhren sind zu sehen, eine Puppe mit einer Spritze im Arm, die auf den Boden einer Toilette gesunken ist, und Johannas Grab, umringt von leeren Weinflaschen.
Kessler zeigt den Schülern eine Tasse, die bis zum Rand pechschwarz gefüllt ist. "Das ist die Menge Teer, die sich nach einem Jahr in euren Lungen befindet, wenn ihr täglich 20 Zigaretten raucht", sagt Kessler. Die Jugendlichen, unter ihnen auch einige, die kurz davor noch rauchend vor dem Gebäude standen, schauen angewidert weg. "Häuser, in denen sich Formaldehyd befindet, werden abgerissen. Aber Raucher atmen das Gift mit jeder Zigarette genüsslich ein."
Dieter Kessler erzählt den Schülern von Michael, der Kehlkopfkrebs bekam und sich ständig den Speichel mit einem Tuch vom Mund wischen musste. "Auch Wein und Sekt mögen harmlos erscheinen, doch jeder Rausch verändert unser Gehirn. Zwei junge Menschen fuhren im letzten Jahr mit dem Korsakow-Syndrom von der Love Parade zurück nach Hause. Sie wussten nicht mehr, wer sie waren oder wann sie zur Toilette mussten." "Johanna trank anfangs auch nur Wein. Doch dann mussten ihre Kinder zusehen, wie sie die Tabletten mit Wodka herunter spülte und starb."
Für Kessler deutet eine Abhängigkeit meist auf ein Problem im Leben des Betroffenen hin. "Fangt an, über eure Sorgen zu sprechen", sagt Kessler den Jugendlichen eindringlich. "Lasst euch von niemandem einreden, ihr seid nicht wertvoll genug." Besonders über Gefühle zu sprechen, sei ein Schutz davor, seine Sorgen im Drogenrausch zu verdrängen. Auch Eltern gibt er einen Rat: "Zeigt euren Kindern, dass ihr stolz auf sie seid, auch wenn sie etwas verpatzt haben."
Der Vortrag hat viele Schüler bewegt: Simone (14) ist geschockt. Besonders die große Menge Teer in einer Raucherlunge findet sie "einfach ekelig". Tomasz (14) erinnert sich, wie er am Frankfurter Bahnhof einen Drogenabhängigen sah, der nach dem Spritzen in sich zusammen sackte. "Das war schrecklich. Deshalb finde ich es gut, dass wir heute darüber gesprochen haben." Die 15-jährige Silvana hat selbst erlebt, wie Drogen einen Menschen beeinflussen können: "Mein Freund begann regelmäßig Haschisch zu rauchen. Ich musste kurz darauf mit ihm Schluss machen, weil ich ihn nicht mehr wieder erkannt habe."