Neuss/Abi 2008: Die zweite Chance in Mathe
Barbara Sommer bietet Ersatz-Klausur an. Doch die ist für die meisten Neusser Schüler uninteressant.
Neuss/Rhein-Kreis. Die NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hat eingelenkt. Jene Mathematik-Klausuren im Zentralabitur, in denen sich die Schüler mit den als zu schwer kritisierten Aufgaben "Oktaeder" oder "Basketball" auseinandersetzen mussten, können noch einmal geschrieben werden. Doch zum Klausurtermin mit den neuen Aufgaben am Dienstag, 17. Juni, werden kaum Schüler aus Neuss erscheinen. Denn an den meisten war der Kelch sowieso vorbei gegangen: Ihre Lehrer hatten die viel diskutierten Aufgaben vor der Prüfung aussortiert. Nur wenige Pädagogen entschieden sich für "Oktaeder" oder "Basketball" im Abitur. Und an diesen Neusser Schulen schnitten die Schüler nicht schlechter ab als sonst.
Bernd Dicks vom Internet-Portal "spick-mich.de" bestätigt, dass sich Beschwerden aus Neuss und dem Rhein-Kreis in Grenzen halten. Auf den ersten Blick findet er lediglich einen Schüler der Janusz-Korczak-Gesamtschule, der sich in seiner Mail darüber beklagt, dass "in meinem Grundkurs Mathe keiner mit den Aufgaben in der vorgegebenen Zeit fertig geworden", sei. "Der Rest der E-Mails prangert die hohe Seitenzahl der Bio-Aufgabe an und die formalen Fehler, die es in weiteren Fächern gab", sagt Dicks. Nachprüfungen werden nicht gefordert.
Im Biologie-Leistungskurs mussten die Prüflinge 18Seiten Aufgabenstellung lesen. In Erdkunde ist bei einer Frage zum Strukturwandel des Seehafens Wismar ein Komma verrutscht ("19,058" wurden zu "190,58" Tonnen), und im Fach Pädagogik wurde aus "bewussten Gefühlen" im Prüfungstext "unbewusste Gefühle". Dass solche Fehler zu Irritationen geführt haben, bestätigen die meisten Schulleiter der Neusser Gymnasien.
"Das war nicht besonders professionell", sagt etwa Klaus Killich, Leiter des Gymnasiums Norf. "Aber uns sind dadurch keine großen Probleme entstanden." Von 98 Abiturienten werden vier mit der Note "sehr gut" und weitere 19 mit einer "Eins vor dem Komma" bestehen. Killich: "Drei sind durchgefallen - das ist absolut normal."
Hans-Friedrich Noirhomme, Leiter des Nelly-Sachs-Gymnasiums, findet die "handwerklichen Fehler" unakzeptabel. "Außerdem muss sich eine Aufgabe nicht über 18 Seiten erstrecken", sagt er. Zehn seiner 91 Abiturienten bestehen in diesem Jahr im Einserbereich. Josef Burdich, Schulleiter des Mädchengymnasiums Marienberg, sagt: "Meine Kollegen haben die Oktaeder-Aufgabe vorher aussortiert. Dennoch verstehe ich die Aufregung nicht. Die Aufgaben waren alle machbar, genügend Auswahlmöglichkeiten gegeben."
"Das Bestehen der Abiturprüfung darf nicht dem Zufall überlassen bleiben", fordert Dorothee Schackow, Schulpflegschaftsvorsitzende des Marie-Curie-Gymnasiums. Durch Presseberichte beunruhigt sprach sie mit dem Schulleiter: "Gott sei Dank ist es an unserem Gymnasium so, dass viele Schüler des Mathe-Leistungskurses in die Nachprüfung müssen, weil sie schriftlich so gut und nicht so schlecht waren." Und das, obwohl die "Oktaeder-Aufgabe" nach Angaben des stellvertretenden Schulleiters, Hartmut Schüttler, ebenfalls Teil der Prüfung war.
"Die Lehrer wollen keinen Ärger haben. Die Bezirksregierungen machen Druck", kommentiert hingegen Bernd Dicks vom Internet-Portal die verhaltende Kritik der Schulleiter an den Prüfungsaufgaben.