Neuss: Flaggschiff Duale Ausbildung

Diskussion: Bundesministerin Annette Schavan warb bei einem Diskussionsabend für das Lernen im Betrieb und in der Berufsschule.

Neuss. Annette Schavan (CDU) war wieder einmal zu Gast in ihrer "alten Heimat" Neuss. Den Vorabend ihres 53. Geburtstages nutzte die Bildungs- und Forschungsministerin zu einer politischen Stippvisite. "Chancen eröffnen - Zukunftsmodell Duale Ausbildung" hieß der Diskussionsabend, zum dem die CDU-Kreistagsfraktion und die CDU im Rhein-Kreis Neuss die Bundespolitikerin eingeladen hatten.

Weil der Abend in den Räumen von 3M statt fand, ließ sich Schavan zunächst die neuesten Innovationen des Multi-Technologiekonzerns zeigen. "Wir arbeiten an über 50000 Produkten und haben im vergangenen Jahr rund 1,9 Milliarden Euro Umsatz gemacht", sagte Geschäftsführer Jürgen Jaworski. 3M-Manager Stephan Rahn ließ die Ministerin an untrennbaren Hochleistungsklebebändern ziehen: "Von uns kommen rund 900 verschiedene Klebebandtypen", erläuterte er.

Beeindruckt auch von der hauchdünnen 3M-Mehrschichtfolie, die Sonnenlicht filtert und so Räume vor Überhitzung bewahrt, warb Schavan einmal mehr für das Duale Bildungssystem. "Wir machen einen Fehler, wenn wir unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf die Gymnasien und Hochschulen lenken. Denn zwei Drittel aller Jugendlichen absolvieren ihre Ausbildung sowohl im Betrieb als auch an der Berufsschule", sagte die Ministerin. Sie nannte das Duale Bildungssystem ein "Flaggschiff", das das beste Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit darstelle.

Nicht die Organisation in Deutschland und auch nicht die Lehrergehälter seien Schuld daran, dass es derzeit Schwierigkeiten im Bildungsbereich gebe: "Die Einstellung ist abhanden gekommen, dass Ausbildung ein gutes Angebot ist. Wohlstand fällt nicht vom Himmel", so Schavan. Deshalb sei die Kooperation von Schulen und Unternehmen wichtig. Schavan: "Wer gleichzeitig im Betrieb lernt, weiß, was in der Arbeitswelt angesagt ist."

Petra Kuncar, Ausbildungsleiterin bei 3M, stimmte der Ministerin zu. "Meistens ist nicht mehr der Schulabschluss entscheidend, sondern das, was die jungen Menschen von zu Hause mitbringen", sagte sie. "Wenn sich bei uns jemand bewirbt und nur einen Ausbildungsplatz haben will, aber gar nicht weiß, was wir machen, dann können wir ihn nicht nehmen."

Das sah Axel Fuhrman, Geschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf, ähnlich: "Es gibt auch Abiturienten, mit denen nichts anzufangen ist. Neben den allgemeinen Defiziten in Mathe und Deutsch ist vor allem das Sozialverhalten unakzeptabel geworden. In der Schule kann man vielleicht mal zu spät kommen, in der Berufswelt nicht."

Wolfgang Brückner, Vorsitzender des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs in NRW, warnte vor Verallgemeinerungen: "Die Berufsbilder verändern sich rasant. Den klassischen Automechaniker gibt es beispielsweise nicht mehr. Und wer Mechatroniker werden will, muss schon über mehr Kenntnisse verfügen, einen qualifizierteren Schulabschluss haben", sagte er. Insofern könne man auch nicht mehr für alle Ausbildungsberufe die gleichen Löhne fordern.