Neuss: Bombe war ein echter Blindgänger

Entschärfung: Die amerikanische Fliegerbombe an der Floßhafenstraße hatte keinen Detonator eingebaut.

Neuss. War es Sabotage? Oder ein Fabrikationsfehler? So etwas hat Feuerwerker Jost Leisten vom Kampfmittelräumdienst noch nicht erlebt. "Ich hatte zwar mal eine englische Fliegerbombe ohne Detonator, aber noch keine amerikanische." Dabei hat der Mann Erfahrung. "In meiner elfjährigen Tätigkeit habe ich über 200 Bomben entschärft. Aber irgendwann hört man auf, exakt mitzuzählen."

Diese Entschärfung nahe des Hafenbeckens 5 aber wird dem Routinier von der Bezirksregierung wohl in ewiger Erinnerung bleiben. Die amerikanische Fliegerbombe hätte nicht explodieren können. Erst der Detonator mit einem hochsensiblen Sprengstoff wie TNT entzündet nach der mechanischen Auslösung durch den Zünder das Schwarzpulver in der Kammer. Aber zwischen Zünder und Kammer war ein Hohlraum. "Aber das kann man ja von außen nicht sehen", meinte ein Kollege.

Anders als bei englischen Fliegerbomben müssen die amerikanischen Modelle statt mit Computerunterstützung von Hand entschärft werden. Und dabei ging es an der Floßhafenstraße ein bisschen zu wie in einer altertümlichen Autowerkstatt. Mit der Rostlösung Caramba und einer Zange wurde der Zünder Stück für Stück von Jost Leisten herausgedreht. Mit Kraft und Nachdruck - aber auch mit Respekt.

Den Schweiß an seinen Haaren führte Jost Leisten allerdings eher auf die klimatischen Verhältnisse denn auf Stress zurück: "Das war ein bisschen eng und heiß da unten in dem Loch."

Zum Glück war es ein fünf Meter tiefes Loch, in der die Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden war. "Sonst hätten auch Real und das Rheinpark-Center evakuiert werden müssen", meinte ein Kollege von Leisten. Und das hätte insbesondere einen weitaus größeren logistischen Einsatz von Ordnungsamt, Polizei und Feuerwehr notwendig gemacht. So konnten sich die Maßnahmen in Grenzen halten.

"Etwa 1200 Personen in 75 Betrieben müssen sich in Sicherheit bringen", erläuterte Uwe Neumann, Einsatzleiter vom Neusser Ordnungsamt. Dennoch kam es aufgrund der Sperrungen im Hafenbereich zu Verkehrs-Behinderungen. Und nach der Auflösung der Sperrung rollten die schweren Laster Stoßstange an Stoßstange aus ihrer Warteposition unter anderem vom Kirmesplatz an der Hammer Landstraße zu den abgeschotteten Betrieben.

Schon während die Bombe der Presse demonstriert wurde, suchten Arbeiter nach weiteren Blindgängern auf dem Baugelände gegenüber des Tempo-Werks. Auf Luftbildern, die im Zweiten Weltkrieg nach der Bombardierung des Neusser Hafens Ende 1944/Anfang 1945 angefertigt worden waren, weisen entsprechende Einschläge auf Blindgänger hin.

Grundsätzlich wird mit Sonden gearbeitet, um die Signale der schweren Metallkörper im Boden aufstöbern zu können. Da auf der aktuellen Baustelle jedoch ein Gleiskörper der Neuss-Düsseldorfer-Häfen liegt, muss ein riesiger Bagger an den Schienen vorbeibohren. Erst dann kann die Sonde durch ein Rohr in die Erde geführt werden.

Das Gleis an der Floßhafenstraße führt zum neuen Containerterminal der Firma Maersk. Es wird das erste seiner Art von einer Seereederei im Binnenland. In zwei Jahren sollen dort jährlich 45 000Container verschifft werden.