Neuss: Im Wellenbad wie auf hoher See
Künftige Flugbegleiter trainieren an der Hafenstraße den Ernstfall: den Absturz eines Airbusses.
Neuss. Das riesige, graue Rettungsboot wird von den Wellen durchgeschüttelt, während im Wasser angezogene Menschen in Schwimmwesten mit dem Seegang kämpfen und versuchen, das Boot zu erklimmen.
Einige wollen von den Seiten einsteigen, rutschen aber ab und fallen zurück ins Wasser. Andere schaffen es, sich hochzuziehen und fallen mit dem Kopf zuerst in das Schlauchboot.
Als sich endlich alle an Bord gerettet haben, setzt eiskalter Regen ein. Mit viel Geschrei versucht die Gruppe, eine rote Regenplane über das Rettungsboot zu spannen, während ein Mann in einem grauen Overall neben dem Boot schwimmt und barsche Kommandos gibt.
Was aussieht wie ein Katastrophenfilm, spielte sich am Samstagnachmittag im Wellenbad an der Hafenstraße ab. Eine Gruppe von Flugbegleitern und einige Kapitäne der LTU erhalten ein Sicherheitstraining für den Ernstfall.
Für den schweren Seegang sorgt die Wellenmaschine des Hallenbads und für den kalten Regen ist Rüdiger Geldmacher verantwortlich. Der Mitarbeiter der Schulungsfirma TFC Käufer, die das Training für die LTU durchführt, sorgt in T-Shirt und Badehose am Beckenrand mit einem Schlauch für den kalten Guss.
Nachdem die angehenden Flugbegleiter das rote Regendach über das graue Rettungsboot des Flugzeugtyps A33 gespannt und wieder eingerollt haben, gibt es Manöverkritik von Mark Grove.
Der Mann in dem grauen Overall lässt keinen Zweifel an der Relevanz und Ernsthaftigkeit der Simulation aufkommen. Hart, aber fair, analysiert der gebürtige Brite, einst als "Safety Officer" Verantwortlicher für die Luftsicherheit bei der LTU, den Einsatz.
Ihn ärgere es, wenn Flugbegleiter nur als Kellner der Lüfte dargestellt werden, ohne ihre Ausbildung und ihr Hintergrundwissen zu honorieren, sagt Grove.
Die Übung im Wasser ist Teil einer sechswöchigen Grundausbildung des fliegenden Personals, das so genannte "Initial". Jedes Jahr gibt es darüber hinaus eine zweitägige Auffrischung.
Dass ein Flugzeug notwassern müsse, sei weniger wahrscheinlich als ein Katastrophenszenario zu Lande, erklärt Grove, der seine Karriere als Flugbegleiter begonnen hat und jetzt als freiberuflicher "SEP-Trainer" tätig ist. "SEP" steht dabei für Safety Emergency Procedures, zu deutsch "Sicherheitsnotfallprozeduren".
Drei angehende Stewardessen berichten nachher von der Panik und der Atemnot unter der roten Plane. Claudia Vick (22), Agnes Malek (22) und Yvonne Lehmann (27) stehen alle kurz vor dem Abschluss ihres "Initial"-Trainings.
Claudia Vick, gelernte Rechtsanwaltsgehilfin, hat sich mit dem Job als Flugbegleiterin einen Traum erfüllt. Nachdem sie entdeckt hatte, dass ein Bürojob nicht das richtige für sie war.
Über mangelnde Aufregung konnte sie sich an diesem Nachmittag zumindest nicht beklagen.