Neuss: Menschenhändler verurteilt

Ein Menschenhändler wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Russe schickte zwei Schwestern auf den Strich; die Hintermänner bleiben unbekannt.

Neuss. Raus aus Russland, in Deutschland arbeiten und einen netten Ehemann finden, der teure Krankenhausrechnungen bezahlt - das hatten sich zwei Schwestern aus Tschaikowski westlich des Uralgebirges zu einfach vorgestellt. Sie gerieten an einen Menschenhändlerring. Endstation: Prostitution.

Den Russen, der davon profitierte, verurteilte das Amtsgericht Neuss gestern zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen Zuhälterei und Menschenhandels. Damit kam der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft nach.

"Wir wollten in Deutschland arbeiten. Von Freundinnen hatten wir gehört, dass man hier viel Geld verdienen kann", sagte das 24-jährige Opfer gestern. Die Ex-Kellnerin spricht kein Deutsch und war ebenso auf den Dolmetscher angewiesen wie der Angeklagte.

"Außerdem hatte ich gehofft, hier zu heiraten. Man hat mir in Russland gesagt, dass ich dann krankenversichert sei und meinen kaputten Fuß operieren lassen könnte", so die junge Frau weiter. Ihre Schwester nahm sie mit, weil sie in Deutschland nicht allein sein wollte.

Eine Kontaktdame namens "Olga" organisierte die Reise und streckte die Kosten vor. "In Berlin trafen wir ’Jenia’. Er sollte uns Arbeit beschaffen, vermittelte uns aber an den Angeklagten in Neuss. Zuvor machte ’Jenia’ noch schlüpfrige Fotos von uns." Die landeten im Internet.

Der Angeklagte bestätigte, dass er sowohl von "Jenia"und "Olga" Anweisungen erhielt. "Sie sagten mir am Telefon, welche Sex-Praktiken die Kunden wünschten, wo sie wohnten und wie viel Geld die Mädchen erhalten sollten", sagte der 40-Jährige. Er habe die Frauen zu den Terminen gefahren und wieder abgeholt. Von dem Geld bekam er die Hälfte.

"Fünf Verabredungen mit Männern gab es. Einmal war die Jüngere dabei", so der Angeklagte. Unklar blieb, ob die Schwestern zum Sex gezwungen wurden oder ob sie ihn als "vorübergehende Etappe auf dem Weg zu ihrem Endziel einkalkulierten", wie der Anwalt es formulierte.

Jedenfalls hatte "Olga" ihnen bereits in Russland erklärt, dass sie als "Bardamen" arbeiten sollten. Aufgrund der Unklarheit konnte das Gericht den Angeklagten im Fall der 24-jährigen Frau nicht wegen Menschenhandels verurteilen, wohl aber im Fall der 19-Jährigen: "Für den Tatbestand reicht aus, dass man einen Menschen unter 21 Jahren der Prostitution zuführt", erklärte der Richter.

Das hohe Strafmaß ergab sich aus der Tatsache, dass der Angeklagte vom Amtsgericht Dortmund 2007 wegen Erpressung zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt wurde, die noch nicht abgelaufen war.

Aufgeflogen war alles durch einen Ladendiebstahl der Schwestern in einem Neusser Supermarkt. "Wir erkannten schnell, dass etwas nicht stimmte", sagte ein Polizist. Nach kurzer Observierung nahmen sie den Angeklagten fest. Sie fanden bei ihm und später in seiner Wohnung Kontaktanzeigen, Erotik-Fotos mit vielen Frauen und Kopien von russischen Pässen. Die Hintermänner konnte die Kripo bisher nicht ermitteln.