Neuss: Mit Koala gegen Sprachgewirr

An der Barbaraschule in Neuss bemüht man sich preisgekrönt um Migrantenkinder.

Neuss. Stellen Sie sich vor, Sie sind sechs Jahren alt und ziehen aus einer kleinen griechischen Stadt nach Neuss. Sie können die deutsche Sprache nicht und selbst die Buchstaben sind Ihnen fremd, denn Sie haben bisher nur einige griechische Schriftzeichen gelernt. Der Unterricht ist unverständliches Kauderwelsch, die Leistungen - und auch Ihre Motivation - sinken in den Keller.

Sie wären mit diesem Schicksal kein Einzelfall. "Seit ich 1970 mit ein bis zwei Migrantenkindern pro Klasse den Schuldienst begonnen habe, wird händeringend nach einer Lösung gesucht", sagt Hans-Joachim Reich, Schulleiter der Barbaraschule. In dieser Grundschule in Neuss ist das Problem besonders akut, denn 80 Prozent der 112 Schüler sind Kinder von Migranten.

19 Nationen sind in den Klassen vertreten, vor allem Türken, Deutsche und Griechen, dann folgen Portugiesen, Italiener und Spanier. Mit unterschiedlichen Projekten versucht die Schule seit einigen Jahren, dem babylonischen Sprachgewirr Herr zu werden - mit preisgekröntem Erfolg: Für die Sprachförderung wurde sie als Projektschule auserwählt und wird drei Jahre vom Land mit 500 Euro monatlich gefördert.

Zu den Konzepten der Schule gehört die koordinierte Alphabetisierung, bundesweit unter dem Namen Koala bekannt. In der Barbaraschule lernen die Erstklässler die Buchstaben des Alphabets in den drei häufigsten Sprachen (Deutsch, Griechisch, Türkisch) gleichzeitig.

Das Lernen der Buchstaben in Fremd- und Muttersprache erspart Migrantenkindern Enttäuschungen, es motiviert und unterstützt sie, so dass sie früher lesen lernen. Die "Babylonischstunde" findet einmal pro Woche, zusätzlich zum normalen Unterricht, als "internationale Stunde" statt.

Neben dieser bewährten Lehrmethode wurde zur Sprachförderung zudem das "Projekt Deutsch" ins Leben gerufen. Die Schüler werden - je nach Deutschkenntnissen - in sechs Gruppen eingeteilt. In zwei Doppelstunden pro Woche arbeiten die jahrgangs- und altersgemischten Gruppen an einem gemeinsamen Projektthema. Alle sechs Gruppen beschäftigen sich etwa mit Märchen. Auch im Muttersprachenunterricht werden die Themen behandelt. Nach einigen Wochen stellen die Gruppen ihre Ergebnisse den anderen vor.

Anschließend übernehmen die Sprachlehrer eine andere Gruppe und je nach Lernerfolg wechseln auch einige Kinder in eine höhere Leistungsgruppe. "Die Kinder haben Lernerfolge und sind motivierter, weil sie leistungsmäßig in einer gleichstarken Gruppe glänzen können", sagt Reich.