Erstes gewaltfreies Weihnachtsfest Heiligabend ohne Angst vor Gewalt
Neuss · Im Neusser Frauenhaus laufen die Fest-Vorbereitungen. Für die Bewohnerinnen ist es seit langem das erste Weihnachten, das sie gewaltfrei erleben.
Es riecht nach Tanne, in jedem Raum wird deutlich: Das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Auch Clara (Name geändert) freut sich, mit ihren drei Söhnen endlich ein schönes Fest feiern zu können. Endlich eines ohne Angst, ohne Streit, ohne körperliche und auch seelische Gewalt – und das nicht nur gegen sie, sondern auch gegen zwei ihrer Söhne. Der dritte, sechs Monate alt, kennt den gewalttätigen Vater und Ehemann nicht, denn Clara hat ihn hochschwanger verlassen. Nach siebenjährigem Martyrium schaffte sie vor sieben Monaten den Absprung, lebt seitdem im Neusser Frauenhaus. Im neuen Jahr wird die 25-Jährige mit ihren Kindern eine eigene Wohnung beziehen und will eine Ausbildung machen. „Am liebsten zur Krankenschwester oder Bürokauffrau“, sagt sie und lächelt. Ihr geht es gut, und das, sagt sie, verdanke sie auch den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses, die ihr ein neues, wenn auch zeitlich begrenztes Zuhause gegeben haben und sich viel Zeit genommen haben, damit Clara klar werden konnte, wie sie ihr Leben künftig gestalten möchte. So geht es auch der 22 Jahre alten Eline (Name geändert), deren Sohn erst einen Monat alt war, als sie in die Einrichtung kam. „Eine große Familie“ nennt sie die „Gemeinschaft“ im Frauenhaus. Aktuell sind es sieben Frauen und 14 Kinder im Alter von vier Monaten bis zu 13 Jahren, die dort leben, jede Familie in ihrem eigenen kleinen Appartement, wo die Mütter auch kochen.
Der erste Kontakt zum Frauenhaus laufe über das Telefon, sagt Einrichtungsleiterin Elke Kroner. „Die Frauen müssen selbst den Willen äußern, dass sie zu uns kommen möchten. Wenn Freunde, Nachbarn, Verwandte oder die Polizei das meinen, hilft das nicht“, erklärt sie. Dann werde ein neutraler Treffpunkt ausgemacht, wo die Frauen und Kinder abgeholt würden, manchmal nur mit dem, was sie anhaben und nicht selten ohne Geld. „Wir nehmen aus der aktuellen Gewaltsituation auf“, sagt Kroner, und der Auftrag sei, die Frauen vor weiterer Gewalt-Anwendung zu schützen. „Wenn sie bei uns ankommen, sollen sie erst einmal fühlen, dass sie jetzt Pause haben, einen Schutz- und Schonraum für sich und ihre Kinder“, so Elke Kroner weiter. „Unser Ziel ist es dann, die Frauen in die Lage zu versetzen, ohne Druck, denn Bevormundung kennen sie ja zu Genüge, Entscheidungen zu treffen“, ergänzt Erzieherin Annette Winkens.
Von Spendengeld wurden Geschenke gekauft und verpackt
Auch für die Kinder, die Schlimmes erlebt haben, sei es wichtig zu wissen, dass sie nun an einem Ort sind, wo sie darüber reden können. Am Heiligen Abend nun werden sie alle im Gemeinschaftsraum beisammen sitzen, der feierlich hergerichtet wird, und jede Frau trägt etwas zum Menu bei, es wird gesungen, vorgelesen und sicher auch viel gelacht. Die Geschenke, die die Mitarbeiter von Spendengeldern für die Frauen und Kinder gekauft haben, sind bereits verpackt. Die Spannung steigt. „Das Schöne ist auch, dass wir an diesem Abend mit vielen Nationalitäten zusammensitzen und viele Traditionen kennenlernen“, so Elke Kroner.
Für einige, so wie für Clara und Eline, ist es fast schon ein kleines Abschiedsfest, da sie bald das Frauenhaus verlassen werden. Ihre Gefühle sind gemischt: Freude, Neugier, aber auch ein wenig Angst vor dem Neuem. Das beinhaltet vor allem eins: keine Gewalt mehr.