Neuss: Verdacht auf Menschenhandel nicht beweisbar
Gericht: 18-Jährige zog belastende Aussagen zurück, Zeuge konnte sich nicht erinnern.
Neuss. Mit einem Freispruch endete am Donnerstag vor dem Amtsgericht ein Verfahren wegen des Verdachts auf Menschenhandel und Zwangsprostitution.
Alexander G. (35) soll laut Anklage im Februar dieses Jahres eine 18-Jährige zur Prostitution gezwungen und ihr das so verdiente Geld abgenommen haben. Von der Polizei wurde er in einem Kleinbus mit bulgarischen Kennzeichen festgenommen.
Der Bus sei, so die die Beamten, mit "milieutypischer Kleidung" ausstaffiert gewesen. Unklar war, welche Rolle die 23-jährige Ehefrau des Angeklagten spielte.
Gleich zu Beginn ließ G. über einen Dolmetscher erklären, er habe kein Vertrauen zu seinem Pflichtverteidiger und werde sich daher nicht äußern. Von ihrem Recht auf Verweigerung der Zeugenaussage machte auch G.s Frau Gebrauch.
Sie war am Tag zuvor aus Bulgarien eingeflogen worden und hatte einen Anwalt als Zeugenbeistand angefordert. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es mir und der Polizei erspart, innerhalb von fünf Tagen Ihr Erscheinen anzuordnen", sagte der Richter, sichtlich um Fassung bemüht.
Die 18-Jährige, die zunächst erklärt hatte, G. habe ihr nicht nur Geld abgenommen, sondern sie auch geschlagen, zog die Aussage zurück. Ja, sie sei von der Familie des Angeklagten nach Neuss gebracht worden. Nein, diese hätten sie nicht zu einer Falschaussage gezwungen, wohl aber die Frau von G. "Sie hat gesagt: Du sagst das, was ich Dir jetzt sage", ließ die zierliche Frau vom Dolmetscher übersetzen. "Das Schlechte, was ich da gesagt habe, war falsch."
Auch ein weiterer Zeuge, Peter M. aus Asbach, der eine der Frauen zur Polizei gefahren hatte, mochte sich trotz Androhung von Beugehaft an nichts mehr erinnern. Während der Vernehmung erreichte den Richter die Mitteilung, M. habe auf dem Gerichtsflur mit dem Beistandsanwalt der Frau des Angeklagten gesprochen.
So verließ G., der seit Februar in U-Haft gesessen hatte, den Gerichtssaal als freier Mann. Alle Kosten trägt die Staatskasse. "Wir mussten hier einen Mann freisprechen, den viele im Saal für den Täter halten", so der Richter. "Aber wir müssen hier strikt rechtsstaatlich arbeiten."