Neuss: Wie das Puzzle zum Gesellschaftsspiel wurde

Wissenswertes aus vier Jahrhunderten Puzzlespiel ist ab dem 8. November im Sels-Museum zu sehen.

Neuss. "Gebt, Götter, mir Geduld!" Bei Shakespeare zürnt König Lear, der auf "die Weiber" warten muss. Im Clemens-Sels-Museum dient der Spruch als Leitmotiv einer Ausstellung über das Puzzlespiel. Geduld braucht das Kind, das sich an ein erstes Puzzle mit vielleicht zehn Teilen wagt. Geduld ist gefragt, wenn sich der Experte an ein Landschaftsbild mit 5000 Teilen macht.

Geduld aber mussten schon die Kinder aufbringen, die im frühen 18. Jahrhundert Geographie lernten - anhand von Puzzles. Hauslehrer in aristokratischen Familien und dem reichen Bürgertum ließen ihre Schüler sorgsam auf Holz aufgezogene Landkarten, die dann ebenso sorgsam an den Landes- oder Provinzgrenzen zersägt wurden, zusammensetzen. Kein Spiel, sondern Lernmittel zu einer Zeit, als Kinder vor allem als kleine Erwachsene galten. Diese Lern-Landkartenpuzzles sind Teil der Ausstellung, die ab November im Clemens-Sels-Museum gezeigt wird. Thomas Ludewig, Volkskundler und stellvertretender Direktor, hat sie als Kurator mit dem niederländischen Sammler Geert Bekkering zusammengestellt.

Erstaunliches, Kurioses, Aufwändiges hält die Ausstellung bereit, zudem zeichnet sie die Entwicklung des Puzzles über vier Jahrhunderte nach.

Ältester Beleg sind im frühen 17.Jahrhundert Spielkarten, die man - auf der Rückseite - zu Landkarten zusammenlegen konnte. Auf die zersägten Lern-Karten für die Kinder reicher Eltern folgte im ausgehenden 18.Jahrhundert die Zeit der "nützlichen Spiele" und eine bereits zunehmende Popularität der Puzzles, die allerdings noch Legespiel, Geduldsspiel oder Kombinationsspiel hießen. Geduld und Fleiß, Sinn für Farbe und Form sowie Feinmotorik sollten Kinder durch das Puzzeln erlernen. Hinzu kam die Belehrung durch historische Szenen, Kriegsbilder zumeist, Darstellungen aus der Bibel oder rollenspezifische Genrebilder. Vor allem Protestanten waren Motor dieser Entwicklung.

Puzzle aus Deutschland, vor allem im Erzgebirge hergestellt, wurden zum Exportschlager in die USA, wo sie von den Puritanern geschätzt wurden. Veränderungen in der Drucktechnik verbilligten schließlich die Herstellung und verschafften dem Puzzle endgültig zum Durchbruch.

Auch Erwachsene gaben sich diesem Vergnügen hin. Darstellungen von der Biedermeierzeit bis hin zu Fotos aus dem frühen 20.Jahrhundert zeigen Damen und Herren in gepflegter Runde beim Grübeln. Das Puzzle war zum Gesellschaftsspiel geworden.

Ungebrochen ist die Anziehungskraft von Puzzlespielen. Die Exponate der Ausstellung zeigen die ganze Bandbreite auch historischer Beispiele. Und wer denkt, die vertrackten vielteiligen Puzzles der Gegenwart seien eine Erfindung der Moderne, sieht sich getäuscht.

Ludewig organisiert zurzeit das Begleitprogramm, zu dem auch die Erstellung eines Puzzles in Sägetechnik gehört - und ein Dick-und-Doof-Film zum Geduldsthema. Das Sammler-Ehepaar Bekkerung ist derweil noch in Enschede mit den Vorbereitungen beschäftigt: Viele, viele alte Puzzles müssen noch zusammengesetzt werden.

“ Die Ausstellung beginnt am 8.November, sie ist bis Ende Januar zu sehen.

www.clemens-sels-museum.de