Rhein-Kreis Neuss: Einsatz für den Storch auf Rädern
Babynotarztwagen: Seit 15 Jahren im Einsatz zur Rettung der kleinsten Patienten. Ärzte und Schwestern werden bei Einsätzen vom Dienst im Lukaskrankenhaus unentgeltlich freigestellt.
Rhein-Kreis Neuss. Es ist ruhig auf der Rettungswache der Johanniter Unfallhilfe. Krankenwagen stehen auf dem Parkplatz. Dazwischen ein Einzelstück mit dem ein Bündel tragenden Storch auf der Außenseite: der Baby-Notarztwagen (Baby-NAW). Seit 1993 gibt es den auf Neugeborene und Kinder spezialisierte Rettungswagen im Rhein-Kreis Neuss.
174 Mal ist der Wagen bis heute in diesem Jahr ausgerückt. Volker Wendt hat gerade seinen 24-Stunden-Dienst begonnen. "Letzte Nacht hatten wir drei Einsätze: Fieberkrämpfe." Es kommt zu Atem-Aussetzern, wenn fiebrige Kinder krampfen.
Die Hirnsteuerung ist gestört, es droht Lebensgefahr. "Hier zählt jede Minute." Zeit, die vor Antritt des Baby-NAW für den Umbau der normalen Rettungswagen verstrich: Liege raus, Inkubator (Brutkasten) rein, dazu kindgerechte Beatmungsgeräte.
Ein Blick in den Baby-NAW zeigt einen auf Säuglinge perfekt ausgerichteten Krankenwagen. Der Inkubator verfügt über eine kindergerechte Temperatur, spezielle Spritzenpumpen ermöglichen die exakte Abgabe von Medikamenten. Im Schrank sind Blutdruckmanschetten, die einem Erwachsenen an den kleinen Finger passen.
"Die meisten Einsätze finden bei akuten Erkrankungen statt. Auch werden Säuglinge und Frühgeburten in Kinderkliniken verlegt", erklärt Wendt.
Maria-Sophia war eine davon. Im November kam sie zehn Wochen zu früh in Grevenbroich zur Welt, wog nur wenige hundert Gramm. "Ich war in großer Sorge", so die Mutter Dorothea Wolfgarten-Lüttgens. Im Baby-NAW wurde das Mädchen von einem Johanniter-Rettungsassistenten, einem Kinderarzt und einer Kinderkrankenschwester des Lukaskrankenhauses erstversorgt.
Dann ging es mit Blaulicht auf die Kinderintensivstation nach Neuss. "Ich bin sehr glücklich, dass meine Tochter im Baby-NAW transportiert wurde. Ich wusste, dass sie da gut aufgehoben ist", sagt die Mutter heute, die gesunde Maria-Sophia im Arm.
Doch nicht alle Einsätze enden glücklich, berichtet Wendt: "Es kommt vor, dass ein Kind stirbt." Um damit zurecht zu kommen, wird die Arbeit im Johanniter-Team reflektiert. "Leicht ist es nicht. Aber wir lernen, damit umzugehen." Auch werden von Zeit zu Zeit Misshandlungen aufgedeckt. "Es ist eine Gratwanderung - nicht jede Vermutung ist wahr. Im Notfall schalten wir das Jugendamt ein."
Für das Einsatzteam bedeutet jedes Ausrücken eine Belastung. "Ohne die schönen Erlebnisse könnten wir den Job nicht machen", meint Volker Wendt. "Unvergessliche Momente" wie die häusliche Geburtenhilfe, bei der das Team des Baby-NAW dem normalen Rettungsdienst weit voraus ist.
"Die wären damit überfordert." Getragen werden die Einsätze von den Krankenkassen. Weil der Aufwand hoch ist (der Wagen kostet 187000 Euro), gibt es seit Jahren Streit um den Baby-NAW. "Die Stadt will ihn behalten, die Kassen wollen ihn abschaffen. Dabei bräuchten wir im letzteren Fall einen Ersatzrettungswagen, der auch Geld kostet", meint Rüdiger Wentzel, Leiter der Kinderintensivstation.
Ärzte und Schwestern werden bei Einsätzen vom Dienst im Lukaskrankenhaus unentgeltlich freigestellt. "Mit unserem Team und der Ausrüstung des Baby-NAW können wir mehr Leben retten. Die Emotionen, die darin stecken, sind unser größter Trumpf für die Verhandlungen mit den Kassen", sagt Volker Wendt. 2009 geht es in die nächste Runde.