Sparkasse: Kein Zugang mit Schleier

Eine Frau ist wegen ihres Schleiers der Bank verwiesen worden. Dabei sei ein Mitarbeiter handgreiflich geworden.

Foto: Andreas Woitschützke

Neuss. Schon einmal habe ein Mitarbeiter der Sparkassenfiliale an der Krefelder Straße ihr den Eingang versperrt, sagt die 20-jährige Muslimin. Jetzt kam es zum Zwischenfall: Die Frau betrat das Geldinstitut, um eine Überweisung zu tätigen. Wieder soll er sich ihr in den Weg gestellt und sie aufgefordert haben, die Filiale zu verlassen. Sie weigerte sich, bot an, ihren Gesichtsschleier abzunehmen und sich auszuweisen. Nach Angaben der Polizei kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Die junge Frau sagt, dass ein Angestellter sie aus dem Haus geschoben habe.

Weil sie eine schwere Einkaufstasche über der Schulter trug, habe sie sich dadurch Schürfwunden zugezogen. Die Polizei, von Mitarbeitern alarmiert, kam zu spät, um zu schlichten: Die Frau war bereits gegangen. Wenig später erstattete sie Anzeige wegen Körperverletzung. Die Sparkasse bestreitet den Hergang. Eine Vollverschleierung widerspreche dem in ihren Räumen geltenden „Vermummungsverbot“.

„Es ist uns unglaublich wichtig, dass es nicht um das Thema Religion, sondern um Sicherheit geht“, sagt Stephan Meiser, Sprecher der Sparkasse Neuss. Ein Schild mit einem durchgestrichenen Motorradhelm weist neben dem Eingang auf ein „Vermummungsverbot“ in der Filiale hin. Auf dieses habe der Mitarbeiter die Frau am Mittwoch „freundlich hingewiesen“, bevor er sie trotz ihres Protests des Hauses „verwies“. Ihr Angebot, in einem Nebenraum in Gegenwart einer weiblichen Angestellten ihren Nikab — einen Schleier mit Sehschlitz — abzunehmen und ihren Personalausweis zu zeigen, ist laut Meiser für das Personal keine Option gewesen. „Kein Mensch hat ein gutes Gefühl, mit einer unkenntlichen Person Flure entlang oder in einen Raum zu gehen.“ Schließlich sei eine Geiselnahme oder ein Bankraub zu befürchten: „Das ist das Schlimmste, was wir uns vorstellen können: Eine kriminelle Person geht mit unserer Mitarbeiterin alleine in einen Raum, lässt den Schleier fallen und zieht eine Waffe hervor.“

„Wir finden das empörend“, sagt der Ehemann der Frau. Wie sie kommt auch der 24-jährige Schlosser aus einer türkischstämmigen Familie, ist aber in Deutschland geboren und seit Jahren Kunde bei der Neusser Sparkasse. Seine Frau sei seit dem Vorfall immer noch verstört, weshalb das Paar schon einen Termin mit einem Psychologen vereinbart habe: „Sie müssen verstehen, dass sie noch nie von einem fremden Mann berührt wurde.“ Reiner Breuer, Neusser Bürgermeister und Vorsitzender des Sparkassen-Verwaltungsrats, habe „volles Verständnis“ für die Reaktion der des Mitarbeiters: „Wer sich verschleiert in eine Bank begibt, muss damit rechnen, dass man ihm skeptisch gegenübersteht.“ Ein Hinweisschild, das eindeutig auf das Nikab-Verbot aufmerksam macht, wollen er und Meiser nicht: „Das gibt es bisher ganz bewusst nicht“, sagt der Sprecher.

Stephan Meiser, Sprecher der Sparkasse Neuss

Dennoch gibt er zu, dass es Schleierträgerinnen „unmöglich“ sei, in einer Neusser Sparkasse zu gehen. „Draußen vor der Filiale gibt es genügend Automaten“, sagt Meiser. Falls eine Kundin ein Gespräch wünsche, müsse sie einen Berater nach Hause bestellen. Ähnlich drückt sich die zweite große Bank in Neuss in Bezug auf verschleierte Personen in den Kundenbereichen aus: „Es gibt kein explizites Verbot“, sagt Rainer Mellis, Chef der Volksbank Düsseldorf Neuss. Auch an seinen Filialen hängen die Hinweisschilder mit dem Motorradhelm. „Die Kunden wissen, wie wir das meinen. Es geht darum, sie identifizieren zu können.“ Angst vor verborgenen Waffen unter dem Ganzkörper-Schleier habe er nicht: „Die kann man auch unter einer Jacke tragen.“

In Düsseldorf haben verschleierte Frauen eine Alternative. „Wir machen das wie am Flughafen“, sagt Gerd Meyer, Sprecher der Stadtsparkasse Düsseldorf. Die Kundin werde in einen separaten Raum geführt, wo sie ihren Schleier in Anwesenheit einer Mitarbeiterin abnehmen könne, um sich auszuweisen. Zur Frage, ob dies ein Risiko für die Mitarbeiterin oder die Bank sei, sagte Meyer: „Wenn wir allen Besuchern kriminelle Absichten unterstellen würden, dürften wir gar kein Geld mehr herausgeben.“ Ein „Vorschuss an Vertrauen“ sei nötig.

Für Ozan Erdogan, Vorsitzender des Neusser Integrationsrats, ist der Fall klar. Wer fordert, mit einem Schleier in eine Sparkasse zu dürfen, könne genauso gut auf einem „Gebetsraum“ in der Bank bestehen. „Ansonsten muss man eine Vertretung schicken“, sagt Erdogan. Dass der Bankbesuch für muslimische Frauen aus traditionellen Familien ein Schritt zur Selbstbestimmtheit sein kann, will er nicht gelten lassen. „Jedes Land hat eigene Gesetze. Wenn ich mit ihnen ein Problem habe, muss ich überlegen, ob es das richtige Land für mich ist.“

Das betroffene Ehepaar will bleiben. Dem 24-Jährigen gehe es allein um das Wohlergehen seiner Frau. „Sie wurde vor ein paar Wochen schon einmal der Bank verwiesen. Da haben wir uns das noch gefallen lassen.“ Seit dem Vorfall traue sich die 20-Jährige kaum aus dem Haus. Was das Paar sich nun wünsche, sei eine Aufklärung des Falls — keine „Änderung des Grundgesetzes“.