Berufe im Wandel der Zeit: Lehrer - Verfechter der kleinen Schulen

Helmut Harbach musste als Dorfschulmeister nach dem Krieg oft improvisieren. Er unterrichtete damals 64 Kinder in einer einzigen Klasse.

Horath. Wer Lehrer werden wollte, musste in den 30er Jahren einiges bieten: Sport und Musik wurden geprüft, jeder musste ein Instrument beherrschen, anschließend diskutierten die Interessenten mit einer Gruppe Kinder. Nur die Hälfte von ihnen wurde anschließend zum Studium zugelassen. "Das waren alles Kanonen, die da später rauskamen", lobt Helmut Marbach, der "letzte noch lebende deutsche Dorfschulmeister".

Nach zwei Jahren freiwilligem Arbeitsdienst studierte Marbach in Elbing und unterrichtete anschließend an mehreren kleinen Dorfschulen, bevor er als Soldat eingezogen wurde. Als er 1945 heimatlos aus dem Krieg zurückkehrte, bekam er die einklassige Dorfschule Horath zugewiesen. Acht Jahrgänge saßen dort zusammen in einem Raum. "Viele Schüler waren durch die Kriegswirren mindestens eineinhalb Jahre zurück. Wir hatten keine Lehrbücher, nur das Gesangbuch und die Bibel", erinnert sich der 93-Jährige.

Als dann noch Flüchtlinge aus dem heutigen Polen dazukamen, musste er zeitweise bis zu 64 Kinder aller Altersstufen gleichzeitig unterrichten. "Wie ich das gemacht habe, weiß ich auch nicht." Denn die Herzkamper Schule hatte damals kein Dach mehr, Horath hingegen war ganz geblieben. Aus alten Schuhkartons fertigte Marbach Aufgabenkärtchen, es fanden sich "ein paar olle Landkarten" und die Schüler schrieben mit Griffeln auf Tafeln.

Der Unterrichtsraum befand sich unten im Schulhaus, daneben das Studierzimmer des Lehrmeisters und oben das Schlaf- und Wohnzimmer. Die Frau von Marbach unterrichtete Handarbeiten und war für die Schulspeisung zuständig. "Sie hat jeden Tag einen großen Pott Gries oder Reis gekocht. Das bekamen die Kinder dann in ihr Soldatengeschirr." Hinter dem Haus hielt das Paar in den Nachkriegsjahren Schafe und Hühner und baute Kartoffeln an. "Sonst hätten wir das nicht überlebt."

Wichtig war Marbach immer das Gemeinschaftsgefühl. "Eine einklassige Schule kann nur mit einem guten Schulgeist funktionieren. Die Größeren helfen den Kleineren. Ich hatte intelligente Kinder im dritten Schuljahr, die beherrschten den Stoff von acht Jahren." So bedauerte es Marbach zutiefst, als 1968 im Zuge der Kritik an Kleinschulen die Horather Schule aufgelöst wurde.

Das alte Gebäude wurde verkauft und dient nun als Wohnraum, Marbach baute sich nebenan einen Bungalow. Er unterrichtete fortan an der Grundschule Gennebreck immer nur eine Jahrgangsstufe in einer Klasse.

Bei seinen Reisen mit Schulbesichtigungen in der ganzen Welt kam der Schulleiter zu dem Schluss: "Das Ziel kann nur sein: Lehrerauslese und einen zweiten Lehrer, etwa Studenten, für Kernfächer." Eng arbeitete Helmut Marbach mit der Wuppertaler Pädagogischen Hochschule zusammen, holte so die besten Anwärter nach Sprockhövel. Und verfolgt bis heute interessiert die Diskussionen um eine Verbesserung des Schulunterrichts.

Lebenslauf Helmut Marbach machte 1933 sein Abitur. Nach zwei Jahren freiwilligen Arbeitsdienstes studierte er von 1934 bis 1936 an der Hochschule Elbing und unterrichtete danach zwei Jahre lang an verschiedenen Dorfschulen. Von 1938 bis 1945 war er Soldat. 1945 begann er an der Dorfschule Horath zu unterrichten, die er bis zu ihrer Schließung 1968 betreute. Bis zu seiner Pensionierung 1979 leitete Marbach die Grundschule Gennebreck.

Ehrenämter Daneben amtierte Marbach als Amtsjugendpfleger, führte den Lehrerverein Haßlinghausen und war Vertreter der Schwerbehinderten im Regierungsbezirk Arnsberg.