Buch: Von der Zwangsarbeit in den Ural-Urwäldern

Der Sprockhöveler Friedrich Siwitza hat seine Erinnerungen an die russische Kriegsgefangenschaft aufgeschrieben.

Sprockhövel. In der Stadt und über ihre Grenzen hinaus ist er vor allem in der Kulturszene ein Begriff. Schließlich war er von 1955 bis 1996 Vorsitzender des Sprockhöveler Männergesangvereins, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sprockhöveler Männerchöre, außerdem Mitbegründer und Vorsitzender des Stadtkulturrings. Jetzt hat Friedrich "Fritz" Siwitza sein erstes Buch geschrieben.

Darin thematisiert er jedoch nicht die freudvollen Kultur-Geschichten. In "Plennybrot und Nadelwasser" beschreibt er unter dem Pseudonym "Leonhard Schreiber" die Erfahrungen und Erlebnisse des deutschen Soldaten Walter Freitag in russischer Kriegsgefangenschaft. Schnell wird klar: Walter Freitag ist er selbst.

Mit leiser Stimme - der 88-Jährige ist gerade von einem Herzinfarkt genesen - erzählt Siwitza: "Meine Nichte Marion sagte: ‚Wir wissen, dass dich deine Gefangenschaft noch immer bewegt. Jetzt setz’ dich mal hin und schreib alles auf." Das war 2007. Noch am gleichen Abend begann der gebürtige Sauerländer mit seinen Aufzeichnungen. "Das Buch habe ich nicht für mich geschrieben", erklärt Siwitza. "Es ist für die, deren Söhne und Männer nicht aus dem Krieg zurückgekommen sind."

Von Kriegsende am 9. Mai 1945 bis zu seiner Heimkehr am 27. Dezember 1949 verbrachte er seine Zeit in zehn Lagern, "lernte 4000 bis 5000 Kameraden und deren Schicksale kennen" und legt nun ein Buch vor, das den Leser jede Einzelheit dieser 55 Monate miterleben lässt.

Vorgelesen hat Siwitza an dem Präsentationsabend im Lokal "Rose" zwar nicht, aber viele erhellende Erläuterungen zu dem 70 Seiten umfassenden Buch gegeben. Zum Titelbild beispielsweise, das ein Stück Himmel zeigt: "Der Himmel war über den Siegern und Besiegten für alle gleich. Auch für uns, die wir in Gefangenschaft gegangen sind."

Tränen stehen in Siwitzas Augen, als er sich erinnert. Erst im März 1948 habe er seiner Frau die erste Rot-Kreuz-Karte schicken können - "bis dahin hatte sie nichts mehr von mir gehört".

Beim Straßenbau, in Aluminium-, Blei- und Kupferminen in Moskau, den Urwäldern des Urals und Sibirien musste er Reparationsarbeit leisten, zu essen gab es "Plennybrot" - "Plenny" ist der russische Begriff für Kriegsgefangene - und zu trinken Nadelwasser. "Da gab es einen Arzt, den wir ‚Doktor Nadelwasser’ nannten, weil er uns das immer zu trinken gab. Das schmeckte ganz gut und war vitaminhaltig. Und diese Vitamine fehlten uns ja."

Dass er seine minutiösen Erinnerungen erst jetzt notiert hat, liegt daran, dass Siwitza "vorher nie Zeit hatte. Mit Stadtkulturring und Männergesangverein war immer genug zu tun". Nachdem er nun seine bewegenden Erinnerungen notiert hat, will der rüstige Senior gleich ein weiteres Werk nachlegen: "Barbara und Jakob" soll es heißen. Und beschäftigt sich mit einem viel leichtfüßigeren Thema: Es erzählt von der Liebe und dem Lebensglück eines jungen Paares und soll im kommenden Jahr veröffentlicht werden.