Verabschiedung Der Wuppertaler „Pastor der Wohnungslosen“ geht in den Ruhestand

Wuppertal · Als Diakoniepfarrer hat Martin Gebhardt miterlebt, was Obdachlosigkeit mit Menschen macht.

Martin Gebhardt geht in den Ruhestand.

Foto: Sabine Damaschke

Den Talar kann Martin Gebhardt bei seiner heutigen Verabschiedung in der Citykirche zuhause lassen. Wenn er dienstlich nicht Schwarz tragen muss, trägt er gerne bunte Pullover. In der Citykirche, in der er auch lange tätig war, ist es üblich, dass in Alltagskleidung Gottesdienst gefeiert wird.

Das passt, denn Martin Gebhardt ist ein Pfarrer, der den Menschen nahe sein möchte. Auch denen, deren Nähe von anderen oft als unangenehm empfunden wird, um die viele Menschen in der Stadt einen Bogen machen. Ihnen hört er zu, begleitet sie auch mal zum Arzt oder zu Behörden, begegnet ihnen auf der Straße und im Wohnheim. „Dort wird in einer Gesprächsrunde Freud und Leid geteilt oder man sitzt im Hof zusammen und redet über Gott und die Welt“, erzählt er.

Als Gemeindepfarrer habe er früher mit Wohnungslosen meistens nur an der Pfarrhaustür zu tun gehabt, wenn sie nach Geld fragten, sagt der Theologe. „Es war ein sehr undifferenziertes Bild, das ich damals von ihnen hatte.“ In den letzten elf Jahren änderte sich das. Als Diakoniepfarrer lernte er wohnungslose Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit, mit ihren Sorgen, Ängsten und Fragen genauer kennen – und entdeckte, dass er als Seelsorger in der Wohnungslosenhilfe der Diakonie genau an der richtigen Stelle war.

„Es gibt kaum eine Gruppe, die gesellschaftlich so viel Ablehnung erfährt wie Menschen, die auf der Straße leben oder gelebt haben“, meint Gebhardt. „Wenn jemand nicht gut riecht und schlecht gekleidet ist, bleibt der Respekt schnell auf der Strecke.“ Seelsorge heißt für ihn auch, mit einem Menschen lange Zeit im Wartezimmer zu sitzen, der alleine schon längst aufgestanden und unverrichteter Dinge wieder gegangen wäre.

Hoffnung geben, um Hilfe anzunehmen

Nicht allen habe er helfen können, aber immer versucht, ihnen mit Freundlichkeit zu begegnen. „Ich war als Seelsorger in einer anderen Rolle als die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Diakonie“, sagt Martin Gebhardt. „Sie müssen oft regelrecht darum werben, dass Hilfe angenommen wird, und klare Regeln aufstellen, damit der Weg in die eigene Wohnung oder sogar in einen Job wieder schrittweise gelingt.“

Doch die Voraussetzung für die Hilfe sei die Hoffnung auf ein besseres Leben. Und diese Hoffnung fehle oft, hat der Diakoniepfarrer erfahren. Er hat in vielen Gesprächen Mut gemacht, dass Veränderung gelingen kann.

„Es ist eine echte Lebensleistung, auf der Straße zurechtzukommen“, betont er. „Obdachlose Menschen befinden sich unter ständiger Anspannung, damit ihr weniges Hab und Gut nicht gestohlen wird. Sie sind oft erfinderisch und haben vieles gelernt, was das Überleben auf der Straße möglich macht. Wenn sie ihren Fähigkeiten eine neue Richtung geben, können sie es auch schaffen, wieder in einer eigenen Wohnung zu sein und ihr Leben neu zu organisieren.“

Sich nun als Diakoniepfarrer in den Ruhestand zu verabschieden, fällt Martin Gebhardt nicht leicht. Mit seinen 67 Jahren hätte er schon früher gehen können, aber es gibt keinen Nachfolger für ihn. Immer mehr Pfarrer gehen in Pension, deutlich weniger rücken nach. Die staatlichen Sozialkürzungen machen der Diakonie zu schaffen, denn gleichzeitig wächst die Armut.

Neben seiner Seelsorge in der Wohnungslosenhilfe hat Martin Gebhardt in den vergangenen Jahren viele Vertretungen in Wuppertaler Gemeinden gemacht. Jetzt wird er seine Frau, die Pfarrerin in Velbert ist, in ihrer Gemeindearbeit ehrenamtlich unterstützen – und auch Wuppertal verbunden bleiben, wo er den Großteil seiner beruflichen Laufbahn verbracht hat. „Hier fühle ich mich einfach zuhause“, sagt er. „Auf der Straße treffe ich immer Menschen, die ich kenne, und es freut mich besonders, wenn ich einige wiedersehe, die mir erzählen, dass sie jetzt eine Wohnung haben oder in einer Werkstatt arbeiten und einfach Danke sagen wollen, dass ihnen bei der Diakonie geholfen wurde.“