Kinderbuchveröffentlichung Erinnerungen eines jüdischen Mädchens aus Elberfeld
Wuppertal · Das Kinderbuch berichtet über Leben und Flucht von Renie Inow aus Nazi-Deutschland. Die Alte Synagoge fördert die Veröffentlichung.
Mit 95 Jahren kann Renie (vormals Renate) Inow nicht mehr so gut sehen. Das in diesen Tagen erschienene, von der Begegnungsstätte Alte Synagoge herausgegebene Kinderbuch, das aus ihrem Leben berichtet, konnte sie deshalb nicht ohne Hilfe ansehen. „Eine Freundin hat mir aus dem Buch vorgelesen“, berichtete sie am Mittwochabend. Renie Inow war von ihrem Zuhause in London aus per Video zugeschaltet worden, um der Vorstellung des Buches in der Begegnungsstätte beizuwohnen.
Das Buch trägt den Titel „Der Duft von Apfelkuchen. Die Geschichte des Mädchens Renate Inow aus Elberfeld“ und richtet sich an Kinder von etwa neun Jahren, erklärte die Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, Ulrike Schrader, bei der Begrüßung der Gäste. Denn das sei das Alter gewesen, in dem Renate Inow war, als sie Deutschland verlassen musste.
Renie Inow findet das Buch „wonderful“
Verfasst wurde das in einem gelben Einband gehaltene Buch von der freien Autorin Andrea Behnke aus Bochum, die Illustrationen übernahm die Wuppertaler Künstlerin Andrea Hold-Ferneck. In 18 Episoden wird das Leben des jüdischen Mädchens vorgestellt, das am 5. August 1929 in Elberfeld geboren wurde.
Das Buch sei „kein Roman“, sondern fasse Stationen aus dem Leben des Kindes zusammen, erklärte Behnke. Grundlage seien Gespräche zwischen Autorin und Renie Inow sowie umfangreiches Archivmaterial aus der Begegnungsstätte. Dabei habe sie vor allem auf Briefe zurückgegriffen, die die Eltern von Deutschland aus an ihre in Sicherheit gebrachten Kinder ins Ausland geschickt hatten.
Renate Inow war eines von drei Kindern der Familie, die in einem Haus an der Briller Straße wohnte. Vater Max Inow betrieb ein Antiquitätengeschäft in der Schwebebahnpassage Döppersberg. Die Familie war musikalisch und gerne in der Natur unterwegs. Sie war zwar nicht übermäßig fromm, befolgte aber die jüdischen Traditionen. Der Titel des Buchs spielt auf den Apfelkuchen an, den Renate gerne bei ihrer Großmutter in Bochum aß.
Um Renate vor den Nazis in Sicherheit zu bringen, schickten ihre Eltern sie im Mai 1939 mit einem Kindertransport zu ihrer Tante nach England. Zuvor waren bereits ihre Schwester Grete und ihr Bruder Alfred rechtzeitig ausgewandert oder ins Ausland gebracht worden. Das gelang den Eltern leider nicht mehr, sie wurden 1942 ins Ghetto Łódź in Polen deportiert und dort ermordet. Renate Inow erlangte endgültige Gewissheit über das Schicksal der Eltern erst, als sie 1972 mit ihrer Schwester nach Elberfeld reiste und in einem Archiv nach dem Verbleib der Eltern forschte.
Die Episoden aus dem Leben von Renate Inow werden in kindgerechter Sprache, kurzen Abschnitten und zahlreichen Bildern präsentiert. Ergänzt werden die biographischen Ausführungen durch eine „Historische Nachbemerkung“ von Ulrike Schrader, einem Nachwort der Autorin und Worterklärungen.
Renie Inow, die trotz ihrer Flucht nach England vor fast 90 Jahren noch immer gut Deutsch spricht, zeigte sich begeistert von dem Buch. Es sei „wonderful“ (wundervoll), betonte sie. Und sie sprach einen wichtigen Wunsch aus: „Ich hoffe, dass viele Kinder an dem Buch ihre Freude haben werden.“ Da konnte Gedenkstätten-Leiterin Schrader ihr eine positive Rückmeldung geben: 100 Exemplare des Buchs seien bereits an eine Schule vermittelt worden, eine weitere Schule habe bereits 30 Exemplare geordert.
Im Gedenken an die Vorlieben von Vater Max Inow, der gerne Cello spielte, gab es am Mittwochabend auch einen Musikbeitrag. Cellistin Magdalena Wolf spielte unter anderem Stücke von Bach und Brahms.