Einzigartig: Der Senioren-Chor der kleinen Glocken

Im Handglockenchor des Bethesda Seniorenzentrums musizieren 14 Damen zwischen 73 und 91 — und das bühnenreif.

Wuppertal. Ein heller Glockenklang schwebt bis unter das Dach der „Oase“. Der lichtdurchflutete Musikraum im Bethesda Seniorenzentrum an der Hainstraße wird voll von der zarten Musik ausgefüllt. Die Stimmung ist besinnlich — der Handglockenchor des Seniorenheimes hat seine Übungsstunde. Jeden Montag treffen sich an der Hainstraße 14 Damen im Alter von 73 bis 91 Jahren, unter ihnen sieben Diakonissen, um für ihre Auftritte zu üben. Ein Nebeneffekt des Spiels ist, dass sie dadurch Gedächtnis, Konzentration, Koordination und Teamarbeit trainieren.

„Jeder in der Gruppe ist gleich wichtig. Wenn ein Ton fehlt, funktioniert kein Lied mehr“, sagt Elisabeth Rudkin. Die 52-jährige Ergothearpeutin leitet den Sozialdiakonischen Dienst des Seniorenheims und ist Dirigentin des Glockenchors. Jedes Mitglied ist für zwei Töne im Musikstück zuständig. Auf großen Notenblättern ist farbig markiert, welche Glockenspielerin ihr Instrument wann zum Klingen bringen muss. „Eins, zwei, drei, vier“, flüstern manche, um den Takt zu halten. „Wenn sie einen Ton verpassen, nicht ärgern, sondern weitermachen“, motiviert Elisabeth Rudkin.

Richtige, massive Handglocken sind zu schwer für die Seniorinnen. Deshalb hat der britische Ingenieur Maurice Davies seine Belleplates erfunden. Die sind leichter und sehen aus wie Spachtel, an denen ein Klöppel hängt. Durch einfaches Schwingen der Belleplates wird der Glockenklang erzeugt.

Die Amerikanerin Rudkin kennt die Belleplates aus ihrer Jugend und hat sie mit nach Wuppertal gebracht. Im anglo-amerikanischen Raum ist das Spiel mit den Handglocken weiter verbreitet als hier. „Wir sind der einzige Seniorenhandglockenchor in ganz Deutschland“, ist sich Elisabeth Rudkin nach intensiver Internetrecherche sicher.

Drei bis sechs Auftritte im Jahr absolvieren die Damen im Jahr. Dann präsentieren sie klassische, geistliche und folkloristische Lieder. „Die Senioren haben bei den Auftritten die Möglichkeit, zu zeigen, was sie können“, sagt Rudkin. Das gefällt den Chormitgliedern. „Ich stand früher mit meinem Akkordeon auf der Bühne. Das ging leider nicht mehr. Durch den Glockenchor kriege ich das tolle Gefühl, vor Publikum zu spielen, auch heute noch“, sagt Erika Precht (89). An die Zuhörer denken sie alle: „Wir wollen anderen Menschen eine Freude mit unserem Glockenspiel machen“, sagt Ilse Busch, die mit 91 Jahren die älteste Glockenspielerin ist.