Tierwelt Hegering Barmen warnt: Der Klimawandel schadet dem Wild in Wuppertal
Wuppertal · Die Jäger stellen fest, dass sich die Tiere bei Trockenheit nur noch auf kleinere Gebiete verteilen – das kann problematisch sein.
Die Wälder sind trocken, die Waldbrandgefahr ist hoch. Regen ist in den vergangenen drei Wochen nahezu gänzlich ausgeblieben. Noch ist die Trockenheit für die Waldbewohner nicht gefährlich. Dennoch sollten Spaziergänger Vorsicht walten lassen und mit einem veränderten Verhalten der Wildtiere rechnen. „Das bedeutet, dass auch wir unser Verhalten anpassen müssen“, erklärt Bastian Hamacher vom Hegering Barmen.
Bei den hohen Temperaturen sei das Wild tagsüber sehr inaktiv, weil ihr Stoffwechsel herunterfahre, berichtet Hegeringsleiter Hans Joachim Röhrken. Über das Äsen beispielsweise von Blättern nimmt Rehwild Flüssigkeit auf. Wenn die aber trocken bleiben oder schon im August von den Bäumen fallen, fehlt den Tieren die Wasserzufuhr.
Das wird dann problematisch, wenn die Tiere gestresst werden – zum Beispiel durch Spaziergänger, die abseits der Wege unterwegs sind, oder durch nicht angeleinte Hunde, die die Rehe aufschrecken. Sie springen auf, flüchten und verbrauchen dabei Energie, die wieder angefressen werden muss. Wenn wegen der Trockenheit nicht genug Nahrung da ist, werde es für die Tiere kritisch, erklären die Jäger.
Bastian Hamacher vergleicht das mit dem Menschen: An heißen Tagen versuchen wir auch, uns wenig zu bewegen. Wenn wir dann zwei Stunden lang herumgejagt werden würden, ohne etwas zu trinken zu bekommen, dann „wären wir auch platt.“ Fallen ganze Gebiete trocken, zieht das Wild weiter. Die Folge: Mitunter drängen sich die Tiere auf kleinem Gebiet, meist dort, wo es Wasser gibt. „Krankheiten können sich dann schneller ausbreiten“, weiß Hans Joachim Röhrken. Damit das nicht passiert, müssen die Jäger einzelne Tiere schießen. „So können die anderen Tiere dann Dürreperioden überstehen“, erklärt Hamacher.
Besonders kritisch seien Waldbrände. Entweder fliehen die Tiere fluchtartig oder sterben. Hans Joachim Röhrken mahnt deshalb, das absolute Rauchverbot einzuhalten, das zwischen März und Oktober im Wald besteht. „Wir sehen die Kippen überall“, macht der Jäger deutlich – ein Zeichen, dass sich die Menschen nicht an das Verbot halten. Er weist auch auf die Leinenpflicht hin, denn immer wieder würden Rehkitze von Hunden gerissen. „Selbst wenn der Hund das Kitz nicht reißt, reicht es schon, dass er es anleckt. Dann geht die Ricke nicht mehr an ihr Jungtier“, erklärt Bastian Hamacher.
Die Jäger weisen auch darauf hin, dass sich die Zeiten des Wildwechsels ändern können. „Unfälle häufen sich, weil Autofahrer überrascht werden, wenn plötzlich jeden Tag Wildwechsel stattfindet“, sagt Bastian Hamacher.
Einige Arten kommen
gut mit der Trockenheit zurecht
Einige Tierarten profitieren aber auch von der Trockenheit. So sei die Population der Hasen angestiegen. Bei hohen Temperaturen werden die Kokzidiose auslösenden Bakterien abgetötet. Diese Erkrankung könne sonst mitunter ganze Bestände dahinraffen, so Röhrken. Hasen kommen zudem in einer Sasse zur Welt, einer Art Mulde. In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass die Jungen bei Regen in der Sasse ertranken.
Ist der Boden zu trocken, haben Rebhühner Schwierigkeiten, Würmer zu finden und aufzupicken. Weil es jedoch so trocken ist, seien wiederum mehr Insekten vorhanden, erklärt Röhrken und Hamacher ergänzt: „Trockenheit entwickelt sich für die unterschiedlichen Tierarten anders.“
Grünspechte und Käuze würden mit der Trockenheit gut zurecht kommen. Für Letztere gibt es in trockenen Jahre mehr Mäuse, weil deren Höhlen nicht durch Regen geflutet werden.
Ziehen die Tiere weiter – weil ganze Flächen zu trocken oder auch vom Borkenkäfer befallen sind – nimmt der sogenannte Verbiss zu. „Das Rehwild frisst Knospen, Triebe und Blüten. Wenn die Triebe weg sind, wächst nichts mehr“, erklärt Bastian Hamacher. Anstatt zu hohen Bäumen, würden die Pflanzen dann zu Büschen werden.
Die Vegetationsperioden hätten sich um etwa zwei Wochen verschoben. So findet beispielsweise die Apfelblüte früher statt. Was sich nicht verändert hat, ist die Brut- und Setzzeit, erklärt Röhrken – zumindest bis auf eine Ausnahme. Die betrifft die Rausche, also die Paarungszeit, beim Schwarzwild. Normalerweise finde ein „Synchronrauschen“ statt – wenn die Leitbache paarungsbereit wird, werden es die anderen Bachen auch.
Doch kann es vorkommen, dass die Leitbache fehlt, zum Beispiel weil sie durch einen Unfall im Straßenverkehr gestorben ist. „Die Bachen werden dann das ganze Jahr über rauschig“, erklärt Röhrken. Bis eine neue Leitbache bestimmt ist, könne es oft zwei oder drei Jahre dauern, sagt Hamacher. „Am Ende des Tages geht es immer um Stress.“ Ob Nahrungsmangel, Platzmangel, Spaziergänger: „Das kann die natürlichen Prozesse beeinflussen“, sagt Hamacher.
Jäger können
den Tieren helfen
Die Jäger können den Tieren helfen, indem sie beispielsweise Suhlen bewässern oder Wildäcker für die Tiere anlegen. Gehen die Tiere an die dortigen Pflanzen wie Senf oder Raps, werden andere Knospen vor Verbiss geschützt. „Der Jäger schießt nicht nur, sondern betreibt Hege. Das ist Natur- und Tierschutz“, fasst Röhrken zusammen. Die Jäger müssten stets auf einen gesunden Besatz achten. „Wenn es zu viele Tiere gibt, gibt es Stress“, sagt er. Stress störe das Verhaltensmuster, weiß Bastian Hamacher. Rehe würden beispielsweise abmagern, ihr Immunsystem fahre herunter.
Alarmiert wegen der anhaltenden Trockenheit sind die Jäger aber momentan nicht. Die könne das Wild kompensieren. „Im Sommer ist es nunmal warm“, sagt Hans Joachim Röhrken. Und Trockenheit sei noch keine Dürre.