Orgel-Tage starten mit Donnerhall am Klavier

Erst Orgel-, dann Klaviermusik: Wolfgang Kläsener und Claudius Tanski lieferten sich einen Klang-Austausch.

Wuppertal. Im Gedenken an den vor 150 Jahren jung gestorbenen Komponisten Julius Reubke (1834-1858) starteten die 35. Wuppertaler Orgeltage. Gleichzeitig war das Konzert der Auftakt der Reihe "Orgel-Akzente" in der Stadthalle. Der künstlerische Leiter der Orgeltage, Wolfgang Kläsener, bewies einmal mehr, dass er ein kluger Programm-Macher und selbst ein versierter Organist ist.

Denn vom Liszt-Schüler Reubke stammt die grandiose Sonate "Der 94. Psalm" von 1857. Kläsener stellt sie auf der großen Stadthallen-Orgel vor: Anschaulich und transparent spielt er die Sätze, die dem Listz´schen Modell der Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit folgen. Formstrukturen - etwa Themenexposition, Durchführung, Reprise und Coda - hebt Kläsener auch durch passende Registerwahlen hervor, setzt, um dynamische Stufen hörbar zu machen, Schwell- und Fernwerk ein und spinnt melodische Folgen, die wie frei fantasiert klingen, spannungsreich weiter.

Wie eine mächtige Rede klingt diese Musik. Reubke hat ihr Psalmtexte zugeordnet, ohne eine "Programm-Musik" zu schaffen. Fordernde, drängende Skalen und schwere, schreitende Akkorde sowie die Fuge mit chromatischen Passagen im Zwischenspiel verlangen Virtuosität und eine genaue Kenntnis des komplexen Werks: Kläsener wird dieser Tatsache in seiner Interpretation in hohem Maße gerecht.

Die Klaviersonate in b-Moll von Julius Reubke dem Orgelwerk gegenüberzustellen, ist sicherlich ein geschickter Schachzug. Nur darf der Pianist gar nicht versuchen, zu der Orgel in Konkurrenz zu treten - wie viel reicher ist die "Königin der Instrumente" ausgestattet, wie viel mehr Möglichkeiten hat sie, Klangfarben herauszustellen.

Claudius Tanski scheint nach Kläseners eröffnender Bach-Toccata und Fuge in C-Dur (BWV564) einige Probleme zu haben, dem Selbstwert des Flügels zu vertrauen. So erweist er sich, wie auch viele Liszt-Interpreten, als Freund des durch Dauerpedal verstärkten Wütens, so dass ruhendes Verharren und Nachsinnen, zartes Perlen und verziertes Gleiten mit der Rechten im Donnerhall der Akkordschläge der Linken oft zu kurz kommen, gar untergehen.

Dabei birgt das hochgradig schwierige Stück Musik, das durchaus Assoziationen zur großen Liszt´schen h-Moll-Sonate zulässt, viele formale Freiheiten und lässt dem Gestalter viel Spielraum für eigene Annäherung. Den nutzt der Pianist an diesem Abend jedoch nicht. Wie sich ein Bach-Werk in der Klavier-Transkription von Feruccio Busoni (1866-1924) anhört, stellt Tanski mit der berühmten Bach-Toccata in d-Moll vor: Monumentale und prachtvolle Orgelklänge könnten hierbei ihre kammermusikalische Deutung erfahren - der Versuch der Imitation des volleren Orgelklangs befriedigt jedoch nicht.