Premiere im Schauspielhaus: Marmor-Lady liebt Clown

„Geliebter Lügner“: Andrea Witt liefert sich ein hitziges Wortgefecht mit Bernd Kuschmann.

Wuppertal. Sie war seine "Stella Stellarum", seine "wunderbar weiße Marmor-Lady". Sie nannte ihn "Mein lieber Joey", und "Joey, der Clown". Aber auch "Geliebter Lügner" titelte Stella Patrick Campbell ihre Briefe an George Bernard Shaw.

Jerome Kilty hat den 40 Jahre währenden Briefwechsel in seinem Zwei-Personen-Stück "Dear Liar: A Comedy of Letters" für die Bühne bearbeitet (Deutsch von Hermann Stresau). Das Ehepaar Andrea Witt und Bernd Kuschmann geben die exzentrische Bühnendiva und den bissigen, irischen Dramatiker bei der Premiere im Foyer des Schauspielhauses mit großer Empathie.

Für Andrea Witt ist es die Wunschrolle zu ihrem Ruhestand und Abschied von den Wuppertaler Bühnen, denen sie 25 Jahre lang angehörte. Und so lieben und leiden sie aneinander: der absteigende Stern am Bühnenhimmel und der aufsteigende Literat und spätere Nobelpreisträger, Frauenfeind, Spötter und Vegetarier.

Beide waren verheiratet, aber nie miteinander. Er ist 43, sie 34 Jahre alt, als sie sich begegnen: "In 30 Sekunden hatte ich mich Hals über Kopf in Sie verliebt", gesteht Shaw, der hofft, dass sie sich in einen Süßholz raspelnden irischen Lügner verlieben könne. Sie gibt sich zunächst sachlich, nüchtern: "Bei mir ist die Zeit der Krähenfüße und Hängebacken gekommen."

Das gemeinsame Altern reflektieren sie kokett, selbstironisch, aber auch in stillen, nachdenklichen Momenten. Dem boshaften Satiriker verleiht Kuschmann liebenswerte, menschliche Züge. Der Tod seiner Mutter rührt ihn tief an, der Tod von Stellas Sohn, der im ersten Weltkrieg fällt, lässt beide bedrückt innehalten.

Aber je älter sie werden, umso streitsüchtiger schreiben sie: "Warum hat Gott uns miteinander heimgesucht?", poltert Shaw. Und sie kontert: "Bleibt mir nur übrig, dich mit dem Feuerhaken totzuschlagen."

18 Monate lang herrscht zorniges Schweigen. Im Film hat die Diva keinen Erfolg, Shaw kämpft mit seinem neuen Stück. 1937 schickt er ihr - 81-jährig im "methusalemischen Alter" - ihre Briefe zurück. Hofft er, dass sie einst veröffentlicht werden? Der Verdacht regt sich, denn die ganze Beziehung scheint eine einzige Theater-Inszenierung zu sein. Sie bewahrt die Briefe in einer Hutschachtel unter ihrem Bett auf: "Endlich habe ich dich da, wo ich dich immer haben wollte."

Die flüssige, bewegte Inszenierung von Gerd Leo Kuck im viktorianischen Outfit (Kostüme: Svenja Göttler) die auf stures Vorlesen verzichtet, überzeugt. Die beiden Schauspieler sonnen sich im Dialogwitz, spielen Zynismus, boshafte Stichelei und Verletzlichkeit in allen Spielarten aus - bis hin zum eingefügten "Spiel im Spiel", wo Witt alias Stella die Eliza in Shaws "Pygmalion", gibt. Stella Patrick Campbell spielte sie 1914 - ihr letzter großer Erfolg.

In Wuppertal hat Witt sie viele Male gespielt und schreit ihren Text, statt des Cockney-Slangs gekonnt breit berlinernd. Kuschmann alias Shaw stellt spitz fest: "Verstehe nicht, warum es dir so schwer fällt, ordinär zu sein. Du brauchst doch nur ein bisschen natürlich zu sein, das genügt schon."

Regie: 5 von 5 Punkten Duo: 5 von 5 Punkten Ausstattung: 5 von 5 Punkten