„Kunsthochdrei“ zwischen Prunk und Bescheidenheit
In der Reihe im von-der-Heydt-Museum gab es Sinnliches für Augen und Ohren.
Wuppertal. Es ist angerichtet im Von der Heydt-Museum: Ein großer fetter Kalbskopf, garnierter Tafelspitz im zarten Speckrand, Kirschknödel und Maulbeer-Omelette, mit Senf braun angestrichene Schnitten. Appetit auf Kunstnahrung solle der Abend in der Reihe "Kunsthochdrei" machen, wünscht sich Moderatorin Anne Linsel.
Der stellt sich reichlich ein: Die tiefe, sinnliche Stimme von Mechthild Großmann, die aus Grimmelshausens "Simplicissimus" liest, wo der einfältige Page dem Kalbskopf ein Auge klaut und verspeist, reizt allerdings weniger die Geschmacksnerven als das Zwerchfell.
Dass man das Essen durchaus sprachphilosophisch betrachten kann, davon weiß Walter Benjamin in seinem "Märchen" von der Maulbeer-Omelette zu berichten. Robert Walsers schneller Imbiss im Stehen im Berlin der 20er Jahre hat nichts mit Völlerei oder Genuss zu tun, vielmehr rät er, Geschmack an der Bescheidenheit zu finden.
Das hatten die Maler des Barock weniger im Sinn. Museumsleiter Gerhard Finckh ordnet die Bildbeispiele in den historischen Kontext ein. Im reichen Norden der Niederlande entstehen im 17.Jahrhundert kostbare Gemälde: Jan Vermeer benutzt in seiner Ansicht der Stadt Delft echten Goldstaub, Jacob van Ruisdael lässt einen Wasserfall in heroischer Landschaft sprudeln. Das Stillleben mit Totenkopf mahnt: Non omnis moria - ich werde nicht ganz sterben. Darum geht es in den prachtvollen Stillleben der Zeit: Kostbares kontra Vergänglichkeit, Bescheidenheit vor Gott kontra Prachtentfaltung.
Die halb geschälte Zitrone im Bild-Mittelpunkt war damals ein seltenes Gut. Der Hummer, die Austern sind verderblich wie der Mensch. Jacob Gerritszoon Cuyps "Tulpenbeet" zeigt eine andere Rarität: Marmorierte Tulpen galten als Besonderheit, der Handel mit Tulpenzwiebeln florierte. Diesmal steht kein Original auf der Staffelei im Museums-Foyer: Finckh belegt seinen Vortrag mit Dias. Das hat Vor- und Nachteile: Vielfältiger kann er die Zeit im Kunstschaffen umreißen, und doch fehlt das Flair des Originals und damit das prickelnde Gefühl, einer gemalten Kostbarkeit ganz nahe zu sein.
Musikalisch umrahmt das Oratorien-Ensemble der Hochschule für Musik die Beiträge (Leitung: Wolfgang Käsener). Deutsche, flämische und italienische Madrigale treffen den Puls der Zeit mit schlichten, homophonen Sätzen oder komplexer Polyphonie. Nur geht es hier eher um Liebesgenuss und -schmerz, um Abschiednehmen und Abendstimmung. Die jungen Gesangs-Studenten füllen die sehr hallige Akustik mit geschmeidigen Stimmen. Besonders, wenn der erste Sopran nicht zu sehr exponiert und zum Piano findet, ergeben sich wunderbar runde Klangmischungen. Ein echter Kunstgenuss für die Ohren also.