Zwei obdachlose Lebenskünstler suchen nach dem Sinn des Seins

Das Stück „Bohm und Böhmer“ wird in leerstehenden Läden aufgeführt – auch heute wieder.

Wuppertal. Wann liegen Schauspieler schon mal buchstäblich ihrem Publikum zu Füßen? Bei der Premiere von "Bohm & Böhmer" war man als Besucher ganz nah am Geschehen, vom ersten Moment an wurde durch die Nähe zu den Darstellern das Erleben intensiviert. Die im Halbkreis gestellten Sitzreihen umrahmten das kleine Bühnenrund im ehemaligen Blumenladen an der Nützenberger Straße.

Um leerstehenden Ladenlokalen bis zur nächsten Vermietung etwas Leben einzuhauchen, hat die Wuppertaler Zwischennutzungsagentur Räumlichkeiten zur Aufführung der "herrlichen Ballade über zwei Besondere" organisiert. So bespielen die Wuppertaler Schauspieler und Musiker Wolfgang Suchner und Winni Walgenbach als Bohm & Böhmer ungewöhnliche Orte und geben dort ihre merkwürdigen Geschichten von Riesen, Zwergen und Königen zum Besten.

Die beiden Arbeits- und Wohnungslosen haben ja Zeit, jeden Tag aufs Neue - oder? Um die Zeit, die Lebenszeit des Einzelnen, dreht sich bei dem tragikomischen Duo einiges. So hat es sich der norwegische Autor Lars Vik auch nicht nehmen lassen, Heinrich Bölls "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" in seine Geschichte zu integrieren - immerhin spüren doch auch seine Helden der Frage nach, ob man wirklich viel arbeiten muss, um ein stärkeres Freiheits- oder Freizeitgefühl zu erlangen, oder ob man das nicht auf dem kürzeren Wege haben kann, indem man eben gar nicht erst arbeitet.

Böhmer, in unterschiedlichen Schuhen und mit Discountertüten-Schlips, stellt seinen philosophischen Ansätzen gerne wortreich den unvermeidbaren Tod voran. Bohm, hofnärrisch und musizierend, nimmt die verbalen Bälle Böhmers meist direkt, um sie, untermalt mit Tuba-Tönen und Kistenbass-Dröhnen, in eine optimistischere Richtung zu wenden.

Unter der Regie der Kölner Schauspielerin und Regisseurin Birgit Pacht schwingen sich Suchner und Walgenbach dabei mitreißend vielseitig in spielerische Höhen auf, um im nächsten Moment treffsicher wunderbare Pointen zu landen. Zum Lachen bringen einen diese beiden Herren; nicht selten bleibt dieses Lachen aber im Halse stecken, geht es doch um nicht mehr und nicht weniger als um die Angst vor dem Verlust des Anderen und letztlich um den Sinn im Leben.

Das Premierenpublikum jedenfalls vollzog einen Rollentausch: Es lag am Ende, wenn auch nicht buchstäblich, den Schauspielern zu Füßen.