Verbindende Suche nach Heimat

„Sound of the City“- das Festival, das Künstler von Oper und Stadt zusammenbringen soll, geht in seine zweite Runde.

Foto: Stefan Fries

Von der Utopie zur Heimat ist es manchmal nicht weit. Negativ betrachtet, wenn Heimat zur Utopie wird. Positiv betrachtet, wenn sich die Sehnsucht nach Heimat erfüllt. In Wuppertal sind sie Teil eins (Utopie) und zwei (Heimat) des Festivals „Sound of the City“, jenes dreiteiligen Projekts, das die Künstler der Oper mit denen der Stadt zusammenbringen und zu neuen Formaten führen soll. Vom 9. bis 19. Mai ist es wieder soweit.

Immo Karaman blickte in die Gesellschaft und ihre kulturelle Diversität, fragte sich und andere, „wer wir sind, woher wir kommen?“. Persönliche Fragen, die den 45-jährigen Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters, der in Deutschland aufwuchs, auch ganz persönlich beschäftigen. Bei seinen Gesprächen über Heimat wurde dem Regisseur klar, dass der Begriff nicht politisch und nationalistisch, sondern persönlich und emotional aufgeladen ist. Und er erkannte, dass sein Wunsch nach Zugehörigkeit, seine Suche nach Identität, Vorteil und Reichtum sein kann. Und weil Karaman Kurator von „Copyright Heimat“ ist, ging er auf die Reise durch die Stadt — offen und ohne festes Konzept, suchte Menschen, die ebenfalls durch ihre Biografie über ihre Identität nachdenken. Er traf den 51-jährigen Autoren Helîm Yûsiv, der in Syrien aufwuchs und als politischer Flüchtling seit 2000 in Deutschland lebt. Und er traf den 21-jährigen Musiker Horst Wegener, Sohn einer Ecuadorianerin und eines Deutschen, aufgewachsen in Wuppertal. Sie wurden seine Co-Kuratoren. Wegener: „Das Projekt hilft, die eigene Identität zu definieren, die positive Seite darin zu sehen.“

Acht Aufführungen, ein Filmabend und eine Ausstellung umfasst das Festival, dessen Schwerpunkt natürlich auf der Musik liegt. Die Veranstaltungen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, streben keinem Finale zu — sind „Fundstücke“, die auseinander erwuchsen. Die Bühne steht diesmal vor allem im Foyer des Schauspielhauses, jenem Gebäude, das in Wuppertal wie kaum ein zweites für Heimat steht. Eine Symbolik, die die Macher sehr zu schätzen wissen.

Den Auftakt macht aber die „besonders reizvolle“ Stadthalle (5. Mai), wo mit dem Titel „Heimat.Stadt“ nicht Wuppertal, sondern Istanbul gemeint ist. Auf dem Programm steht die „Istanbul Sinfonie“ von Fazil Say, die Sinfonieorchester und türkische Instrumentalisten gemeinsam aufführen. Außerdem singen Opernchor und der Chor Eski Dostlar türkische Volkslieder. Horst Wegener steht bei drei „Heimat.Gefühle“-Abenden (9., 11. und 12. Mai) auf der Bühne im Schauspielhausfoyer. Mit vielen Wuppertaler Musikern und je einem Special Guest: Dinlenti, Elektro Hafiz oder Samy Deluxe. Über den deutsch-sudanesischen Musiker und sein Album „SchwarzWeiss“ kam Wegener selbst als Schüler zum Rap.

„Den intensivsten Abend im Sinne von Melancholie und Expressivität“ erwartet Karaman am 16. Mai, wenn bei „Heimat.Fremde“ verschiedenste Vertonungen von Else Lasker-Schülers Lyrik im Schauspielhausfoyer aufgeführt werden. Ein Lebensthema der großen Wuppertaler Tochter (1869 bis 1945), die vor den Nazis floh, war der Heimatverlust. Eine Suche nach Klängen ihrer Heimat unternehmen zum Abschluss am 19. Mai ebenfalls im Schauspielhaus Mitglieder von Opernensemble und -chor gemeinsam mit musikalischen Paten aus der Stadt. „Heimat.Wurzeln“ feiert die unterschiedliche Herkunft der Menschen, ohne zu trennen, sondern „als Schatz, den wir hier haben“, so Karaman.