Berlin begrüßt den Überflieger

Er hat beste Aussichten, der mächtigste Mann der Welt zu werden. Am Donnerstag tritt der Präsidentschaftskandidat vor der Siegessäule in Berlin ans Mikrofon.

Berlin. Wird der mit Spannung erwartete Besuch von Barack Obama heute in Berlin Klarheit über die außenpolitischen Ziele des demokratischen US-Präsidentschaftsbewerbers schaffen? Eines steht jetzt schon fest: Noch nie hat in Deutschland der Auftritt eines ausländischen Politikers, der erst noch ins Amt kommen will, einen solchen Wirbel verursacht.

Der 46-Jährige tritt nach Vier-Augen-Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) voraussichtlich gegen 19 Uhr an der Siegessäule auf. Millionen deutsche Zuschauer werden es sich nicht entgehen lassen, die Fernseh-Übertragung der Rede live zu verfolgen.

Der Kandidat ist als Politiker eine Ausnahmeerscheinung. In den USA haben seine charismatischen Auftritte die Lust auf Demokratie neu geweckt. In Deutschland sehen viele Menschen nach den bitteren Enttäuschungen durch den amtierenden US-Präsidenten in Obama eine Art Anti-Bush, dem man zutrauen möchte, die globalen Probleme erfolgreich anzupacken. Zugleich weckt Obama auch hierzulande die Sehnsucht nach neuen starken Persönlichkeiten, von denen deutlich mehr Glanz ausgeht als vom derzeitigen politischen Personal Berlins.

Nein, es gibt auch schon erste mahnende Worte: Mit Blick auf die NS-Vergangenheit Deutschlands sei es gar nicht so schlecht, dass eine gewisse Nüchternheit in der Politik zur Staatsräson gehöre, heißt es - eine zweifellos politisch korrekte Ansicht.

Er wird die transatlantischen Bindungen beschwören und speziell der beschädigten deutsch-amerikanischen Freundschaft neuen Schwung verleihen wollen. Zugleich wird er keinen Zweifel daran lassen, dass er als Präsident - ähnlich wie sein Mitbewerber John McCain von den Republikanern - die Europäer stärker international in die Pflicht nehmen würde, auch und gerade militärisch. Schlimmstenfalls könnte er speziell von Deutschland ein stärkeres Engagement nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak fordern. Das würde für eine Menge Ärger sorgen. Obama wäre, teilweise, entzaubert.

Das Theater um die Frage, ob er am Brandenburger Tor auftreten darf oder nicht, hat Obama bereits innenpolitisch geschadet. Viele Kommentatoren in den USA fanden, sein Ansinnen sei arrogant gewesen. Es hieß, einen Auftritt am Brandenburger Tor müsse man sich erst einmal verdienen. Nicht zuletzt dieser Ärger im Vorfeld sorgt nun für Nervosität im Obama-Team. 40 US-Journalisten werden ihn in Berlin genauestens beobachten und darauf warten, dass er einen Fehler macht, der seine außenpolitische Unerfahrenheit unterstreicht.

Neiderfüllt. Obama weiß, dass er in Deutschland besonders bejubelt wird. Zudem sieht er in Kanzlerin Merkel die momentan stärkste Führungskraft Europas. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ist noch nicht lange genug im Amt, und der britische Premier Gordon Brown gibt eine ziemlich schwache Figur ab. Deshalb hat sich Obama dafür entschieden, in Deutschland einen großen Auftritt zu absolvieren und in Frankreich und Großbritannien nur zwei kleine. Klar, dass London und Paris verstimmt sind.

Die SPD ist vom Demokraten Obama weitaus mehr angetan als die Union. Allerdings sollte sich niemand täuschen: Der Amerikaner ist kein Sozialdemokrat. Darum wird die SPD von der "Obamanie" in Deutschland auch nicht profitieren können.