Auch SPD stellt Klage gegen NRW-Polizeigesetz in Aussicht

Die Landtagsfraktion hält den Entwurf zum neuen Polizeigesetz in NRW für verfassungsrechtlich bedenklich. Am 7. Juni ist eine große Anhörung geplant.

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Düsseldorf. Die SPD will gegen das geplante neue Polizeigesetz in NRW klagen, wenn darin im Zusammenhang mit dem Unterbindungsgewahrsam weiter der Begriff der „drohenden Gefahr“ verwendet wird. Durch diese Vorverlagerung der Ermittlungen würden Freiheitsrechte beschädigt und aufgegeben, sagt Helmut Ganzke, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Zunächst wolle man allerdings die geplante große Anhörung am 7. Juni abwarten. „Wir erwarten, dass das keine Scheinanhörung wird, sondern die Mitte-Rechts-Koalition wirklich darauf achtet, was die Sachverständigen sagen, und dann nachbessert“, ergänzt die rechtspolitische Sprecherin Lisa Kapteinat.

Die Grünen hatten bereits in Aussicht gestellt, mit einer Normenkontrollklage vor den Verfassungsgerichtshof in Münster zu ziehen, sind dafür aber auf die Stimmen der SPD angewiesen. „Wir nehmen Innenminister Reul ab, dass er etwas gegen den Terrorismus tun will“, sagt Ganzke. Aber in Sonntagsreden werde immer davon gesprochen, dass der Terror nicht dazu führen dürfe, dass die Gesellschaft ihre Freiheit aufgeben werde. Genau das geschehe aber durch den vorgelegten Gesetzentwurf.

Die Pläne der Landesregierung sehen vor, dass terroristische Gefährder bis zu einem Monat vorbeugend in Haft genommen werden können. Bei häuslicher Gewalt sind bis zu zehn Tage vorgesehen, Hooligans und Mitglieder krimineller Banden sollen maximal sieben Tage in Gewahrsam genommen werden dürfen. Während bisher eine durch konkrete Tatsachen hinterlegte „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ einer Gefährdung Voraussetzung war, könne künftig jeder Polizeibeamte für sich selbst Wahrscheinlichkeiten abschätzen und dann entscheiden, gegen eine Person vorzugehen. „Damit wird ein seit Ende des Zweiten Weltkriegs tradierter Gefahrbegriff geändert“, kritisiert Ganzke.

Kapteinat erinnert in dem Zusammenhang an ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf von 2013. Damals war Rostocker Fußballfans Entschädigung für ihre Zeit im Gewahrsam zuerkannt worden, weil sie am Vorabend des Spiels gegen Fortuna Düsseldorf festgenommen worden waren, obwohl von ihnen keine konkrete Gefahr ausgegangen war. Das belege, wie verfassungsrechtlich bedenklich der neue Gesetzentwurf sei.

Das zweite große Bedenken der SPD richtet sich auf die mögliche Länge des Gewahrsams bis hin zu einem Monat. „Bisher galt in der Rechtsprechung der Satz: Im Zweifel für den Angeklagten. Künftig heißt es wohl eher: Im Zweifel ins Gefängnis“, so Kapteinat. Eine Entscheidung über eine Klage wollen die Sozialdemokraten aber erst nach der Anhörung treffen. Man setze noch auf die Möglichkeit von Änderungsanträgen und hoffe auf die Einsicht von Innenminister Herbert Reul (CDU).

Dass die Landesregierung mit dem Polizeigesetz auch das Mitlesen verschlüsselter Kommunikation über Messengerdienste wie WhatsApp ermöglichen will, würde die SPD laut Ganzke nur dann mittragen, wenn auch dort der Begriff der „drohenden Gefahr“ gestrichen würde — wohlwissend, dass die SPD-Bundestagsfraktion dem Vorhaben schon 2017 zugestimmt hat.

NRW strebe mit dem Polizeigesetz die bundesweit zweithärteste Regelung nach Bayern an, so der innenpolitische Sprecher. „Und auch in Bayern will die SPD eine Klage gegen das neue Polizeiaufgabengesetz mittragen.“ Herbert Reul sei nicht nur Innen-, sondern auch Verfassungsminister.“ Und die Verfassung verbiete es, Rechtsgüter wie Freiheit und Sicherheit gegeneinander auszuspielen.

Im Innenausschuss musste sich Reul am Donnerstag weitere Kritik an seinem Entwurf gefallen lassen. Helga Block, Landesdatenschutzbeauftragte in NRW, bezeichnete die geplante Ausweitung der Videoüberwachung als „unzulässigen Grundrechtseingriff“.

Die im Juni terminierte Anhörung zum Polizeigesetz soll größtmögliche Öffentlichkeit erfahren. Die Obleute im Innenausschuss äußerten den Wunsch eines Livestreams im Internet.