Wuppertaler Steuerfahnder wechseln die Seite „Das ist ein schwerer Schlag für die Steuerfahndung“
Die Leitung des Wuppertaler Finanzamtes wurde neu besetzt. Der frühere hessische Steuerfahnder Frank Wehrheim vermutet gezielte Strategie der Oberfinanzdirektion.
Bad Homburg. Ist es ein politischer Skandal oder nur eine ganz gewöhnliche Personalrochade? Seit die Leitung des Wuppertaler Finanzamtes neu besetzt worden ist und in der Folge zwei renommierte Steuerfahnder in eine Anwaltskanzlei wechseln, steht der Verdacht im Raum, die schwarz-gelbe Landesregierung wolle die Arbeit der Behörde gezielt schwächen. Wir sprachen darüber mit Frank Wehrheim. Er war 28 Jahre lang in Hessen Steuerfahnder.
Herr Wehrheim, was macht die Steuerfahndung Wuppertal zu etwas Besonderem?
Frank Wehrheim: Wuppertal ist die Speerspitze beim Kampf gegen Steuerbetrug im großen Stil. Seit den 90er Jahren haben viele Steuerfahndungen immer wieder ihre Landesministerien aufgefordert, Geld zur Verfügung zu stellen, um Daten über Steuersünder ankaufen zu können. Dieses Ansinnen wurde von der Politik lange blockiert. Den Umschwung brachte Nordrhein-Westfalen. Im Auftrag des ehemaligen sozialdemokratischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans konnte die Steuerfahndung Wuppertal unter ihrem langjährigen Amtsleiter Peter Beckhoff Steuer-CDs erwerben und sie akribisch auswerten. Behörden in anderen Bundesländern machen das mittlerweile zwar vereinzelt auch. Aber Wuppertal ist bis heute Motor der deutschen Steuerfahndung. Dank deren Ermittler sind mehrere Milliarden Euro an Schwarzgeld in die Staatskasse geflossen.
Beckhoff ist inzwischen im Ruhestand. Der bisherige stellvertretende Dienststellenleiter des Finanzamtes Aachen-Stadt, Michael Schneiderwind, hat Wuppertal übernommen und nicht die von Beckhoff aufgebaute kommissarische Leiterin Sandra Höfer-Grosjean. Die Opposition vermutet dahinter den Versuch der schwarz-gelben Landesregierung, die Behörde handzahm zu machen.
Wehrheim: Ich kann die Vorwürfe nachvollziehen. Beckhoff war sicherlich niemand, der immer brav mit der Oberfinanzdirektion NRW seine Linie abgestimmt hat. Er zählte stattdessen auf die Rückendeckung von Minister Walter-Borjans. Seit dem Machtwechsel in Düsseldorf schlägt das Imperium nun zurück. Offensichtlich will die Oberfinanzdirektion die von Beckhoff aufgebaute Behörde aus dem Rennen nehmen. So etwas geschieht allerdings nur, wenn es die Politik eingefädelt hat.
Sie trauen dem Nachfolger von Beckhoff nicht zu, seinen Vorgänger adäquat zu ersetzen?
Wehrheim: Schneiderwind ist sicherlich kein schlechter Amtsleiter. Aber Fakt bleibt: Die von Beckhoff und Walter-Borjans geförderten Sandra Höfer-Grosjean und der mit ihr in die Privatwirtschaft gewechselte Volker Rademacher sind herausragende Fachleute. Ihr Ausscheiden ist ein schwerer Schlag für die Steuerfahndung.
Beide müssten doch ersetzbar sein, oder?
Wehrheim: Nicht jeder kann alles. Gerade in der Steuerfahndung ist oft ein außerordentliches Spezialwissen erforderlich. Beispielsweise, wie man CDs ankauft, wie man deren Datensätze auf ihre Werthaltigkeit überprüft und wie die komplexen Steuerhinterziehungsmodelle von Superreichen funktionieren. Dieses Wissen fällt weg, wenn Spezialisten ausgetauscht werden.
Glauben Sie, dass nach der Entscheidung zu Wuppertal bei Steuerhinterziehern die Sektkorken geknallt sind?
Wehrheim: Sicherlich werden sich einige Leute gewaltig gefreut haben. Die Arbeit der Wuppertaler Fahnder führte in den vergangenen Jahren zu einer tiefen Verunsicherung in Kreisen, die in großem Stil ihr Geld an der Steuer vorbei ins Ausland gebracht haben. Das erlebe ich als Steuerberater immer wieder. Jedes Mal, wenn ein CD-Ankauf publik wird, steigt auch deutlich die Zahl der Selbstanzeigen.
Diese Ankäufe sind umstritten. Die Behörden wird der Vorwurf gemacht, mit Hehlern zusammenzuarbeiten.
Wehrheim: Natürlich bewegen sich die Fahnder manchmal in einer rechtlichen Grauzone. Die Daten der CDs, die sie erwerben, sind gestohlen und werden für Geld angeboten. Aber Ähnliches macht die Polizei, wenn ihre V-Leute in der Unterwelt für Informationen bezahlen, um Verbrechen zu verhindern oder aufzuklären. Zudem gibt es höchstrichterliche Urteile, die es prinzipiell erlauben, angekaufte Steuer-CDs auszuwerten. Nein, ich halte das Vorgehen der Fahnder nicht für problematisch. Der deutsche Staat befindet sich in einer Notwehrsituation, weil Länder wie die Schweiz oder Luxemburg nicht kooperierten.
Die NRW-Landesregierung verspricht, dass sie auch weiterhin den Ankauf von CDs prüfen will. Allerdings gibt es den Vorwurf, dass darüber künftig nicht mehr alleine der Finanzminister entscheiden wird, sondern das gesamte Kabinett. Wäre solch ein Vorgehen praktikabel?
Wehrheim: Nein, damit würden nur neue Hürden aufgebaut. Die Gefahr ist groß, dass künftig die Fahndung behindert und Klientelpolitik betrieben wird. Es gibt nun mal Parteien, die bestimmten Bevölkerungsgruppen nahe stehen. Wenn die FDP im Kabinett über den Ankauf von CDs mitbestimmt, ist dessen Ende absehbar.