Wanderer zwischen den Welten

Oswald Metzger hatte prominente Vorbilder. Nicht nur für Westerwelle ist der Fall Metzger von strategischer Bedeutung. Auch in Baden-Württemberg könnte sich mit dem Parteiaustritt des Landtagsabgeordneten eine Verschiebung im Kräfteverhältnis ergeben.

Berlin. Oswald Metzger beflügelt politische Beobachter zu gewagten Vergleichen. "Manchmal kommt er mir vor wie eine männliche Frau Pauli", sagt beispielsweise die SPD-Politikerin Ute Vogt über den grünen Querkopf. Dagegen fühlt sich der Bonner Politologe Gerd Langguth eher an einen CDU-Politiker aus dem Sauerland erinnert, der ganz anders als die CSU-Rebellin Distanz zur eigenen Partei entwickelt hat. "Auch wenn jeder Vergleich hinkt: Oswald Metzger ist im Grunde der Friedrich Merz der Grünen", sagt Langguth. Wie der frühere Unionsfraktionschef stehe auch Metzger für die Wirtschaftskompetenz seiner Partei. Friedrich Merz zog sich aus den Führungspositionen seiner Partei zurück. Gabriele Pauli hat sogar ihren Parteiaustritt verkündet. Über die weitere politische Karriere Oswald Metzgers wird wild spekuliert. Mit der CDU und der FDP buhlen gleich zwei bürgerliche Parteien um den innerparteilich heftig kritisierten Finanzpolitiker. "Oswald Metzger würde gut in die CDU passen", sagt etwa Laurenz Meyer, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft in der Unionsfraktion. Und FDP-Chef Guido Westerwelle nimmt die sozialpolitischen Beschlüsse des Parteitags von Nürnberg zum Anlass, um ganz generell enttäuschten Grünen-Mitgliedern eine neue Heimat bei den Liberalen anzubieten. Nicht nur für Westerwelle ist der Fall Metzger von strategischer Bedeutung. Auch in Baden-Württemberg könnte sich mit dem Parteiaustritt des Landtagsabgeordneten eine Verschiebung im Kräfteverhältnis ergeben, da der CDU rein rechnerisch nur ein Sitz zur absoluten Mehrheit fehlt. Metzger hat allerdings angekündigt: "Wenn ich gehe, werde ich der CDU im Stuttgarter Landtag auf keinen Fall zur Mehrheit verhelfen, sondern mein Mandat als Landtagsabgeordneter zurückgeben." Ministerpräsidenten Günther Oettinger zeigt sich also demonstrativ gelassen. Es gebe keine Transferlisten, man mache keine Lockangebote, man habe aber auch keinen Aufnahmestopp, sagte der CDU-Regierungschef. Oswald Metzger wäre nicht der erste Politiker in Deutschland, der zur politischen Konkurrenz wechselt. Der ehemalige Grüne Otto Schily zum Beispiel brachte es mit einem SPD-Parteibuch bis zum Bundesinnenminister. Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine ist heute Partei- und Fraktionschef der Linken. Derartige Karrieren bei der politischen Konkurrenz sind gleichwohl alles andere als alltäglich. "In Deutschland überhöhen viele Menschen die Mitgliedschaft in einer Partei. Sie ähnelt wegen des - allerdings schwächer werdenden - Weltanschauungs-charakters in mancherlei Hinsicht dem Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft", bemerkt Politik-Professor Langguth. In anderen Ländern - insbesondere in Frankreich - seien Parteiwechsel normaler. "Dort ist es nicht verpönt, seine politische Überzeugung zu ändern." Auch in Deutschland stieg schon einmal ein Politiker zum ersten Mann im Staat auf, der im Laufe seiner Karriere über verschiedene Parteibücher verfügte. Gustav Heinemann trat 1952 aus der CDU aus, gründete die Gesamtdeutsche Volkspartei und ging fünf Jahre danach zur SPD, bevor er Bundespräsident wurde. Auch der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Günter Verheugen, gehört nicht seit dem Beginn seiner Polit-Laufbahn der SPD an. Verheugen wechselte ebenso wie die heutige KfW-Bankchefin Ingrid Matthäus-Maier 1982 von der FDP zu den Sozialdemokraten, als die sozial-liberale Koalition in die Brüche ging. Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli hat sich durch ihren Austritt aus der CSU ins politische Abseits manövriert. Mediale Aufmerksamkeit garantierte ihr schließlich gerade der Abstand zur eigenen Partei. Auch Metzger profitiert bei den Grünen von seinem Sonderstatus als Finanzexperte. "Metzger wäre in der CDU denkbar, aber bei den Grünen könnte er eine viel profiliertere Rolle spielen. Denn hier ist er ein Unikat", sagt Gerd Langguth.

Scheidung

Kommentar von Christoph Lumme

Wer ein Parteibuch besitzt, muss schon mal die Zähne zusammenbeißen, weil persönliche Meinung und öffentliche Beschlüsse nicht immer zusammenpassen. Dieses Phänomen nennt sich Parteiräson und zählt zu den Sekundärtugenden, ohne die Politik nicht funktioniert. Wenn sich jedoch die Gegensätze zum ideologischen Graben ausweiten, ist die Scheidung programmiert. Das ist bei Oswald Metzger und den Grünen der Fall; ihre Beziehung ist seit dem Nürnberger Parteitag endgültig zerrüttet. Die Partei hat ihren Finanzexperten nach dessen unglücklicher Äußerung über Hartz-IV-Empfänger symbolisch geschlachtet, um zu signalisieren: Seht her, wir sind jetzt wieder eine linke Partei und finden, dass Leute mit wirtschaftsliberalen Vorstellungen bei uns nichts zu suchen haben. Aber: Kopf hoch, Herr Metzger, schon andere sind in zweiter Ehe glücklich geworden.