Rücken die Grünen nach links oder nach links außen?
Beschließt der Parteitag einen radikalen Antrag zur Sozialpolitik, werden die Parteichefs Roth und Bütikofer gehen müssen.
Nürnberg. Der liberale Finanzexperte Oswald Metzger dürfte nicht der Einzige bleiben, der den Grünen bald den Rücken zukehrt. Mit dem laufenden Parteitag in Nürnberg wird die Partei weiter deutlich nach links rücken und damit viele bürgerliche Wähler verschrecken. Von einer grün angestrichenen FDP kann dann keine Rede mehr sein.
Der Afghanistan-Sonderparteitag in Göttingen war nur der Anfang vom Ende grüner Regierungsfähigkeit. Die Bundestagsfraktion wurde damals überraschend deutlich aufgefordert, dem Afghanistan-Einsatz deutscher Tornados und ISAF-Soldaten nicht zuzustimmen. Vorstand und Fraktionsführung hatte den Abgeordneten das Votum - nach langem Hin und Her im Vorfeld - offen lassen wollen, doch den Delegierten gefiel es, Basisdemokratie zu spielen und die Ober-Funktionäre zurechtzustutzen.
Nun also Nürnberg. Diesmal geht es um die Sozialpolitik der Grünen, und wieder droht der Partei- und Fraktionsführung eine empfindliche Schlappe. Letztere will eine Grundsicherung einführen. Das bedeutet vor allem ein höheres Arbeitslosengeld II und deftige Investitionen ins Bildungssystem nach skandinavischem Vorbild. Finanziert werden soll das durch eine höhere Erbschaftssteuer und die Abschaffung des Ehegattensplittings - also durch saftige Steuererhöhungen.
Mit der von den Grünen einst mitgetragenen Agenda 2010 und dem Prinzip Fördern und Fordern hat das freilich nichts mehr zu tun, jedenfalls kann von "Fordern" keine Rede mehr sein. Die Grünenführung nennt das den "ermutigenden Sozialstaat", im Gegensatz zu den SPD-Modernisierern, die lieber vom "vorsorgenden Sozialstaat" sprechen.
Grundsicherung Das von den Grünen Parteichefs Reinhard Bütikofer und Claudia Roth (Foto) unterstützte Konzept sieht vor, dass der Hartz-IV-Satz von derzeit 347 auf 420 Euro angehoben wird. Kinder sollen bis zu 350 Euro bekommen. Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose sollen abgebaut werden. Kinderbetreuung, Schulen und Universitäten sollen besser ausgestattet werden. Kosten: 60 Milliarden Euro.
Grundeinkommen Einige Anträge, die mit dem des Parteivorstands konkurrieren, sollen den Startschuss für ein völliges Umkrempeln des Sozialsystems liefern. Sozial- und Prüfbürokratie soll wegfallen, Armut effektiv bekämpft werden. Das Grundeinkommen, das ebenfalls anfangs bei 420 Euro liegen könnte, soll mit einer negativen Einkommensteuer gekoppelt werden. Dass heißt, Haushalte mit höheren Einkommen sollen Abgaben entrichten, während die einkommensschwächeren staatliche Transferzahlungen erhalten. Kostenpunkt: mehrere hundert Milliarden Euro.