Hartz-IV-Empfängern droht die frühe Zwangsrente
ALG II: Die Politik streitet über eine Regelung, nach der ältere Arbeitslose beim Ruhegeld Abschläge in Kauf nehmen müssen.
Berlin. In der Großen Koalition gibt es neuen Streit über die staatlichen Leistungen für ältere Arbeitslose. Hintergrund ist das Auslaufen der sogenannten 58er-Regelung: Neue Hartz-IV-Empfänger, die vom kommenden Jahr an 58 Jahre und älter sind, droht dadurch die Zwangsrente.
Kritiker wie der Sozialverband Deutschland warnen, dass die Betroffenen Abschläge von bis zu 18 Prozent hinnehmen müssten. Zwischen Union und SPD gibt es Gespräche, um die Regelung abzumildern - bislang ohne Ergebnis.
Laut der 58er-Regelung durften ältere Arbeitslose das Arbeitslosengeld (ALG) II bis zu dem Zeitpunkt beziehen, an dem sie abschlagsfrei in Rente gehen konnten. Diese Möglichkeit fällt vom 1. Januar 2008 an weg - die Betroffenen sind nun verpflichtet, zum nächstmöglichen Zeitpunkt ihre Rente zu beantragen, auch wenn dies mit Abschlägen verbunden ist. Der Grund: Laut Gesetz sind steuerfinanzierte Leistungen wie das ALG II nachrangig gegenüber beitragsfinanzierten.
Die SPD-Bundestagsfraktion drängt die Union, zügig zu einem Kompromiss zu kommen. Sie hat sich dabei dem Vorschlag des SPD-geführten Bundesarbeitsministeriums angeschlossen. Dieser sieht unter anderem vor, dass die Jobcenter allen älteren Hartz-IV-Empfängern ein zumutbares Arbeitsangebot machen müssen, wenn diese arbeiten können und wollen, wie aus Fraktionskreisen verlautet.
Die Union schließt Änderungen nicht grundsätzlich aus, hält den SPD-Vorschlag aber für nicht überzeugend, wie der arbeitsmarktpolitische Sprecher Ralf Brauksiepe (CDU) unserer Zeitung sagte. Das von der rot-grünen Vorgängerregierung ins Gesetz geschriebene Nachrangigkeitsprinzip werde auf diese Weise "durchlöchert", warnte er. Zwar könne es vereinzelt Härtefälle beim Wegfall der 58er-Regelung geben. Dafür dürften aber an anderer Stelle keine neuen Ungerechtigkeiten geschaffen werden.
Der CDU-Politiker geht zudem davon aus, dass der Großteil der Betroffenen freiwillig die Rente beantragen wird, weil diese auch bei Abschlägen deutlich höher sei als das ALG II. Von einer massenweisen Zwangsverrentung könne daher nicht die Rede sein.
Es ist verständlich, wenn Langzeitarbeitslose eine Zwangsrente mit Abschlägen als ungerecht empfinden. Andererseits: Ist es gerecht, Arbeitgebern Möglichkeiten zu eröffnen, sich bequem von älteren Arbeitslosen zu trennen? Und: Wer will definieren, was ein zumutbarer Job ist? Um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, wäre daher eine Erhöhung des Schonvermögens für ältere Hartz-IV-Empfänger sinnvoller - weil sie nicht in den Genuss der Riester-Förderung kommen konnten. Aber dafür fehlt die politische Mehrheit.