Mit Indianern auf Kanu-Tour

Auf Tuchfühlung mit Walen und Walrössern. Und dicke Grizzlies jagen fette Lachse.

Vancouver. Endlose Wälder, steile Felswände, Flüsse voller Fische: So kennt jeder, der Karl May gelesen hat, den Wilden Westen. Und genauso lässt sich das Land der "Rothäute" von Urlaubern auch heute noch erleben: im äußersten Südwesten Kanadas. Vancouver Island ist die Heimat von Indianerstämmen wie den Salish, den Kwagiulth und den Namgis. Hier sind Urvölker mit zungenbrecherischen Namen wie Kwakwaka’wakw und Tla-o-qui-aht seit Menschengedenken zu Hause - "since time immemorial", wie sie selbst dazu sagen.

Von der Olympiastadt Vancouver aus geht es über die glitzernde Strait of Georgia, vorbei an den ersten Orcas auf dieser Reise. Die Fähre legt in Swartz Bay an. Dort beginnt das Abenteuer auf der Pazifikinsel, die mit gut 32000 Quadratkilometern etwa so groß ist wie die Niederlande. Vancouver Island ist an Naturschönheiten kaum zu übertreffen: Über den dichten Regenwäldern erheben sich Berge, die trotz des milden Seeklimas im Winter zum Skilauf einladen.

Der Strathcona Park in der Mitte der Insel weist mehr als 150 Kletterpfade aus. Zwei seiner Gipfel ragen 2200 Meter hoch. Ein 16 Kilometer langer Weg über Hängebrücken, an Seen und Bächen entlang, führt zu den Della Falls. Sie sind mit 440 Metern mehr als achtmal so hoch wie die 52 Meter hohen Niagara-Fälle im Osten Kanadas und damit die höchsten Wasserfälle Nordamerikas. Östlich des Strathcona Parks, in der Nähe von Courtenay, liegen gleich drei Gletscher, auf die K’omoks-Indianer in einer Vier-Tage-Tour führen.

Gletscher haben auch die Küste der Insel zerfurcht. In ihren Fjorden tummeln sich Wale, Delfine, Seelöwen, Robben und Seeotter. Im Frühjahr und Herbst ziehen etwa 22000 Grauwale auf dem Weg von Mexiko in die Arktis und wieder zurück vorbei - in Sichtweite zu den Ufern. Einige der Kolosse bleiben auch das ganze Jahr in den Gewässern von Vancouver Island und springen mit den schwarz-weißen Schwertwalen (Orcas) um die Wette. Weißköpfige Seeadler kreisen in der Luft, immer auf der Suche nach einem Bissen, während Schwarzbären und Grizzlies landeinwärts an den Flüssen auf heimkehrende Lachse warten.

Lachs gibt es fangfrisch bei Roy Cranmer am Strand von Alert Bay auf der kleinen Insel Cormorant, einen Katzensprung von Port McNeill im Nordosten Vancouver Islands entfernt. Cranmer, ein Mitglied des Namgis-Stammes, präpariert den Lachs so, wie die Vorfahren es "seit Hunderten von Generationen" getan haben. Im Handumdrehen, mit einem beängstigend scharfen Messer, ist der Fisch gehäutet und zerlegt. Bevor Cranmer die Filets an Stäben befestigt, tränkt er das Zedernholz mit Fischblut: "So kann es nicht brennen".

Roys Lachs-Barbecue ist Teil eines Familienprogramms, das die Cranmers "Culture Shock Interactive Gallery" nennen. Seine Frau erzählt die Legenden der Namgis - von einer Welt mythischer Figuren mit übernatürlichen Kräften, die sich vom Mensch in Tiere verwandeln oder umgekehrt. Roys Töchter fertigen Schmuck und bringen Besuchern bei, aus Zedernrinde Armreifen zu flechten. Derweil laden Cranmers Schwiegersöhne zur Walbesichtigung in einem traditionellen Kanu ein.

Nur ein paar Fußminuten von den Cranmers entfernt liegt das U’mista-Kulturzentrum mit seiner berühmten Potlatch-Sammlung. Potlatch heißen die Feste, zu der die Kwakwaka’wakws und andere First Nations, wie die Urvölker genannt werden, ihre Familie einladen, oft bis zu 1000 Personen. Wichtig ist, dass die Gäste keine Gaben mitbringen, sondern am Ende vom Gastgeber beschenkt werden.

Zum Potlatch-Fest wird alles angelegt, was die Kultur eines Indianervolks ausmacht: Geschnitzte Tier- und Ahnenmasken zum Beispiel - manche so schwer, dass sie kaum zu tragen sind. Andere tragen Umhänge mit Knöpfen und Symbolen, dazu Federschmuck und Schminke. Fremde sind bei den Zusammenkünften nicht zugelassen.

Dafür werden sie von den Kwakwaka’wakws zu Aufführungen ins "Big House" eingeladen, einen Bau von der Größe einer Turnhalle, mit Sandfußboden und einer großen Feuerstelle in der Mitte. Dort lassen sich dann die Tänzer vom hypnotisierenden Klang der Trommeln treiben und stellen Geschichten dar, die Eltern ihren Kindern "since time immemorial" beibringen.

Gewänder, Masken, Trommeln und Rasseln waren vor 100 Jahre von der Regierung beschlagnahmt und unter anderem an Museen gegeben worden. Das Potlatch-Verbot sollte die Indianervölker ins neue Kanada integrieren. Erst seit 1980 haben die Kwakwaka’wakws von Alert Bay die meisten ihrer Kultobjekte wieder zurück. Ein Teil der Sammlung wird im Sommer 2010 im Japanischen Palais von Dresden ausgestellt. Derweil zieht höfische sächsische Kultur ins U’mista-Zentrum ein.

Bei einer Schnorcheltour im Campbell River schwimmen die Urlauber mitten zwischen den heimkehrenden Lachsen flussaufwärts zu den Laichgründen - allerdings nur ein Stück. Denn wo es flacher wird, stehen Grizzlies und Schwarzbären im Wasser, um die fetten Lachse mit gekonntem Tatzenschlag aus dem Wasser zu holen.

Im nahen Orford River Valley können Besucher dieses Schauspiel von Aussichtsplattformen ganz nah, aber doch aus sicherer Entfernung miterleben. Von Campbell River ist es nicht weit zur Northern Johnstone Strait, wo ein Camp direkt neben dem Orca-Schutzgebiet Seekajak-Fahrern hautnahen Kontakt mit den Walen ermöglicht.

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