MS "Bellevue": Tagebuch einer Flusskreuzfahrt

Erholsame Reise auf Rhein und Mosel.

Düsseldorf. Kölns Altstadt brummt. Auf der Hohenzollernbrücke rollt Zug um Zug im Sekundentakt. Am Dom steigt ein Feuerwerk.

Aber vor uns liegen sechs Tage Ruhe und Erholung — im schwimmenden Hotel auf Rhein und Mosel.

Einschiffen auf der „Bellevue“. Der Veranstalter Transocean hat an alles gedacht: Spickzettel für zu Hause („Bügeleisen aus?“), Bahnticket für die Anreise, Abholbus am Bahnhof. Die Koffer werden in die Kabine getragen.

Am Anfang steht die Seenot-Rettungsübung. Alle Mann an Deck — in roten Rettungswesten. Beim Abendessen erstes Beschnuppern der Tischgemeinschaften.

Im Schneckentempo geht’s rheinaufwärts. Ruhig, wie auf einem Segelboot. Unser Hotelschiff hat nämlich selbst keinen Motor. Den hat nur das angekoppelte Schubschiff.

1. Tag. Prima geschlafen. Vorhang auf. Welch ein Anblick: Burg Stolzenfels in der Morgensonne. Mit zwölf Stundenkilometern geht’s rheinaufwärts: Boppard, die Burgen Katz und Maus, die Pfalz bei Kaub. Nicht zu vergessen die Loreley. Kreuzfahrt-Leiterin Sabine Oltmann singt das dazugehörige Heine-Lied. Schön singt sie.

Mainz. Spaziergang durch die Altstadt. Der Dom-Turm: unten Romanik, in der Mitte Gotik, oben Barock. Und über allem der „Domsgickel“, der Wetterhahn.

Dinner an Bord, die Küche gibt alles. Zum Beispiel: Mit Chorizo umwickeltes Wels-Filet an Mittelmeergemüse und Kräuter-Brioche. Küchenchef Thorsten Döring (52) und seine Mannschaft bringen jede Woche bis zu 10 000 Teller-Portionen auf die Tische. Die größte Herausforderung besteht darin: „Jeder zehnte Gast braucht eine bestimmte Diät. Tendenz steigend.“ 2. Tag. Aufwachen in Mannheim. Da waren sie seinerzeit froh, dass sich der Welt größtes Chemiewerk BASF gegenüber in Ludwigshafen angesiedelt hat. Aber heute? „Wenn der Wind von Westen weht, haben wir den Geruch. Und die Ludwigshafener die Gewerbesteuer“, schildert der Reiseführer.

In Heidelberg, wo 1386 Deutschlands erste Universität gegründet wurde, ist heute die Welt zu Gast.

Unten, im Ort, maulen die Kellner, wenn jemand nur ein Achtel Wein bestellt: „Wir machen doch keine Schluckimpfung!“ Oben, im Schloss, steht ein 228 000 Liter großes Weinfass. Da mussten im 18. Jahrhundert alle Weinbauern ihren Herren den Zehnten von ihrer Ernte ablieferten. Wie die Mischung wohl geschmeckt hat?

Zurück aufs Schiff, Richtung Speyer. „Wenn die toten Kaiser und Könige im Dom nicht wären, gäb’s in Speyer überhaupt kein Leben“, sagen böse Zungen. Eine Frechheit. In der blitzblanken Altstadt leben die Speyrer in Frieden und Beschaulichkeit, weil die Touristen sich meist nur rund um den Dom bewegen.

3. Tag. Nachtfahrt nach Kehl. Auf der Brücke stehen Kapitän Costica Zamfir (52) und ein Offizier. Zwei Schiffsdiesel mit je 800 PS treiben die Schubeinheit. Gesteuert wird von Hand. Metergenau, ohne Autopiloten. „Auf dem Rhein herrscht ein Verkehr wie auf der Autobahn“, weiß der Rumäne mit den vier goldenen Ärmelstreifen.

Kehl und Straßburg: Eine Friedensbrücke verbindet heute die beiden Städte am Rhein, die jahrhundertelang diesseits und jenseits einer unsinnigen Grenze lagen. Straßburg war mal deutsch, dann französisch, das Ganze noch weitere zweimal hin und her. Die Altstadt von Straßburg ist überwältigend mit ihren Gässchen, ihren Fachwerkhäusern, ihrem Münster. Weltkulturerbe, zu Recht. Und die Straßenschilder sind zweisprachig: auf Französisch und auf Elsässer Dütsch.

In Straßburg ist der Storch zu Hause. 200 Weißstörche nisten auf den Platanen, liebevoll aufgepäppelt mit fast allem, was Störche gern futtern. Nur nicht mit Fröschen. Die Elsässer verzehren ihre Frösche gern selbst. Was den Storch aber nicht abhält, sie reich zu beschenken: statistisch gesehen 2,3 Kinder pro Familie gegenüber 1,3 in Deutschland.

Eine kurze Rundfahrt durchs Elsass macht Appetit auf mehr. Wandern, Radfahren, Essen und Trinken auf der „route des vins“. Dazu muss man sich später noch einmal mehr Zeit gönnen. Vielleicht vor Weihnachten, wenn die idyllischen Örtchen ihren Adventsschmuck angelegt haben.

4. Tag. Die Rücktour führt über Koblenz vorbei an „Willi eins“, wie die Koblenzer ihren Kaiser am Deutschen Eck nennen, zunächst auf die Mosel. Auf dem Rhein musste die „Bellevue“ je zweimal geschleust werden. Auf der Mosel, die erst seit 1964 von größeren Schiffen befahrbar ist, sind es je sieben Schleusen in beiden Richtungen.

An Bord ist Showtime. Die Besatzung präsentiert sich: der Koch als Gitarrist, die Dame vom Empfang als Sängerin, die Stewardessen als Ballett, Kellner als Zauberer.

5. Tag. Eng ist es auf der Mosel, rechts und links scheinen die unglaublich steilen Weinberge zum Greifen nahe. Die Schieferterrassen, die jede Minute Sonnenschein speichern, sind mit großem Aufwand auf Vordermann gebracht worden. Junge Winzer bauen anerkannt exquisiten Riesling an und aus.

Unser Schiff schiebt sich mit Tempo 4 durch die vielen Schleifen und Windungen. Wer wollte, könnte bequem am flachen Ufer mit dem Fahrrad nebenher fahren.

In Bernkastel-Kues ist das Ende der Moselreise erreicht. Wegen Hochwassers käme die „Bellevue“ nicht mehr unter den folgenden Brücken durch. Die Exkursion nach Trier, in die älteste Stadt Deutschlands, findet so per Omnibus statt.

Aber auch Bernkastel ist einen spannenden Landausflug wert. Vor allem abends, wenn die vielen Besucher das Städtchen verlassen haben und Gaslaternen die alten Fachwerkhäuser beleuchten. Das schönste von ihnen, am Marktplatz, wird im Dezember mit seinen 24 Fenstern zum leuchtenden, riesigen Adventskalender. 6. Tag. Noch so ein schnuckeliges Städtchen: Cochem. Steil geht es hoch zur Reichsburg, die schon den Franzosen und den Preußen gehört hat und nun Eigentum der Stadt ist.

Einzigartig ist der Blick auf die Moselschleifen: Wir haben 200 Flusskilometer auf dem lieblichen Fluss zurückgelegt, Luftlinie wäre es genau die Hälfte.

Am Abend heißt es: Leinen los in Richtung Köln.

An Bord lädt der Kapitän zum Cocktail. Zum festlichen Abendessen gibt es Rinderrücken vom Weideochsen an Dijon-Hollandaise mit üppigem Gemüse-Bouquet und gebackener Kartoffel-Crêpe-Roulade. Und zum Dessert natürlich die obligate, mit Wunderkerzen gespickte Eisbombe — während die „Bellevue“ unaufhaltsam auf die Domstadt zuhält,