Scharfe Schote in der Wüste: Hatch ist die Hauptstadt der Chilis
Hatch (dpa/tmn) - Hatch, ein verschlafenes Dorf im US-Bundesstaat New Mexico, bezeichnet sich selbst als Chili-Hauptstadt der Welt. Der Rio Grande sorgt für einen ganz besonderen Boden, sagen die Farmer - und feiern die Schote jedes Jahr mit einer großen Party.
Hatch in New Mexico ist ein kleines Dorf - etwa 1500 Einwohner leben hier. Es gibt ein paar Tankstellen, einen Supermarkt und eine Schule. Und es gibt Chili, so weit das Auge reicht. Rote, grüne und gelbe, große und kleine, die verschiedensten Sorten wachsen in dem Tal, durch das der Rio Grande fließt. Die Chili-Hauptstadt der Welt wird das kleine Dorf auf gut 1300 Metern Meereshöhe genannt - und einmal im Jahr wird gefeiert.
„Vor 41 Jahren haben wir das erste Mal ein Chili-Festival organisiert“, sagt Marcia Nordyke, die das Organisationskomitee leitet. „Damals war es gedacht als Dank für unsere Arbeiter, die die Chilischoten ernten.“ Tagelang wurde damals in Hatch gekocht, Chili natürlich in allen Variationen, und am Samstagabend gab es eine Tanzveranstaltung.
Heute schaut es ein bisschen anders aus, wenn am ersten September-Wochenende in Hatch zum Chili-Festival nicht mehr nur die Nachbarschaft anreist, sondern bis zu 50 000 Besucher aus allen Bundesstaaten der USA und aus dem Ausland. Der Verkehr staut sich dann bis auf den Highway, der von El Paso in Texas und von Albuquerque in New Mexico nach Hatch führt. Die Chili-Farmer haben ihr Dorf dann herausgeputzt - schon wenn man vom Highway aus Richtung Festplatz fährt, stehen überall Stände mit bunten Chili-Sträußen.
Besonders ins Auge fällt das Geschäft von Jim Lytle. Er hat das Dach seines Gemischtwarenladens mit großen roten Chilischoten belegt - Hunderte, wenn nicht gar Tausende werden von der immer noch warmen Herbstsonne in strahlendes Licht gerückt. Vor der Tür hängen Chili-Sträuße, drinnen gibt es frische Chili, getrocknete Schoten, Gewürzpulver, Bücher und allerlei Krimskrams. Jim gehört die Sundown Farm in Salem, ein paar Meilen von Hatch entfernt. Die Hosen auf der Farm hat bis heute jemand anders an: June, die von allen nur „Mama“ genannt wird.
88 Jahre ist Mama alt, ihre Familie kam einst aus Österreich in die USA. Sie ist die letzte von zehn Geschwistern - und sie kennt nichts anderes als das Leben in den Chili-Feldern. „Wir wollten Wein anbauen, aber der ist hier nicht gewachsen“, erinnert sie sich. Also hat sich die Familie an Chilischoten versucht - mit Erfolg.
„Jeder Farmer hier isst einmal am Tag Chili“, sagt June. Manche sogar zu jeder Mahlzeit. Was die Chilis aus Hatch so besonders macht? „Sie haben einen ganz eigenen Geschmack - und der hat mit dem Boden hier im Tal zu tun“, sagt Chili-Experte Jim.
Dieser Meinung ist auch Paul Bosland. Er forscht an der New Mexico State University im rund 70 Kilometer entfernten Las Cruces zum Thema Chili. „Wir haben hier Chilis aus allen möglichen Ländern - denn wir bekommen aus aller Welt Samen geschickt, die wir hier aufziehen und untersuchen.“ Dabei geht es um verschiedene Attribute, doch meist wollen die Bauern wissen, wie scharf ihre Schoten sind. Das nämlich kann man messen: in Scoville heat units (SHU).
Es ist noch nicht lange her, dass Bosland die mit einer Million SHUs schärfste Schote der Welt in seinem Institut gezogen hat: Bhut Jolokia, auch Geister-Chili genannt. Sie hat ihren Ursprung in Indien, und der Legende nach gibt man den Geist auf, wenn man sie isst. Doch es gibt inzwischen eine erwiesenermaßen schärfere Chili: „Die 'Trinidad Moruga Scorpion' hat schon zwei Millionen heat units“, sagt er.
Derweil wabert über dem Festplatz von Hatch ein ganz besonderer Geruch: Es ist ein Gemisch aus all den Gerichten, die die Anbieter kochen - Burritos, Tacos, Chiles Rellenos, und es ist der Geruch der frisch gerösteten Chilis, die die Farmer nach Bedarf durch ihre uralten Maschinen jagen. Je nachdem, welche Sorte da geröstet und dann geschält wird, tränen die Augen.
„Das ist ganz normal“, sagt Farmer Jim. Er kennt seine Schoten - und erklärt: „Wenn man Chili der Länge nach aufschneidet, sieht man eine lange, gelbe Vene - darin liegt die ganze Schärfe.“ Wer also nicht sicher ist, wie scharf eine Schote ist, sollte sie von unten probieren - denn da ist sie am wenigsten scharf. „Je näher man an den Stiel kommt, umso schärfer wird sie.“
Sherry Russell, Jims Schwester, kennt die besten Rezepte für die scharfe Schote. Für das Festival backt sie alljährlich Brownies, macht butteriges Popcorn und Cracker - und das alles mit verschiedenen Chili-Schoten. Genauso wie Mama und die anderen Damen, die die Köstlichkeiten auf dem Festival verkaufen, sind sie sich sicher: Chili machen süchtig. „Wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, kann man nicht mehr ohne sie leben.“ Und das Beste, sagt Sheryl, ist der Geruch von Schoten, die gerade aus der Röstmaschine kommen.