Interview mit Marianne Rosenberg: „Das Bild von mir ist verzerrt“

Marianne Rosenberg kommt in die Kufa. Hier spricht sie über Erfolge, Kult und Castingshows.

Krefeld. Marianne Rosenberg kommt in die Kufa. Hier spricht sie über Erfolge, Kult und Castingshows.

Ich habe in der Redaktion einen Test gemacht. Von zehn Kollegen, denen man Ihren Namen nennt, fangen neun an, „Er gehört zu mir“ zu singen. Ein Kompliment?

Marianne Rosenberg: Das ist ein Kompliment für den Komponisten Joachim Heider, der mit dem Song frühe deutsche Popgeschichte geschrieben hat. Das Lied ist heute fast schon nationales Kulturgut.

Und was ist es für Sie?

Rosenberg: Für mich ist das auch ein fettes Pfund. Die frühen Siebziger waren eine tolle, witzige, erfolgreiche Zeit. Dennoch gibt es keinen Grund, heute genau das Gleiche zu machen.

Aber wie schafft es die Sängerin Marianne Rosenberg sich von der Kultfigur zu emanzipieren?

Rosenberg: Kult bedeutet ja nur, dass man etwas festhält und bewahrt, so wie es war. Viele Menschen haben die Songs von damals im Kopf konserviert, dagegen habe ich nichts. Ich persönlich habe mich schon Anfang der 80er aus den Plattenverträgen gestohlen. Ich bin ja öffentlich erwachsen geworden: Das vom Produzenten-Team geschneiderte Kleid wurde mir zu eng.

Gibt es Lieder aus dieser Zeit, die Sie nicht mehr singen würden?

Rosenberg: Absolut, aber das sind nicht „Er gehört zu mir“ und die anderen Klassiker. Es gab zum Beispiel den Song „Blue-Jeans-Kinder“, den Ralph Siegel mir zum Grand-Prix-Vorentscheid geschrieben hat. Den finde ich abscheulich. Ich kann mir bis heute nicht verzeihen, dass ich mich habe breitschlagen lassen, den zu singen. Aber so ist es: Wenn die Umsätze runtergehen, wird die Plattenfirma nervös. Als Künstler weiß man in dem Moment: Du handelst gegen dich.

Sie könnten sich mit Ihren Hits in Mallorcas Party-Szene und deutschen Festzelten bis heute eine goldene Nase verdienen. Warum wählen Sie den schweren Weg?

Rosenberg: Ich höre das öfter: Geh’ ins Festzelt, das wäre viel einfacher, da scheffelt man viel Geld. Ich kann Ihnen sagen: Für mich wäre das ein sehr schwerer Weg, weil er mich zur ständigen Reproduktion verurteilt. Ich müsste ein Bild herstellen, das ich nicht bin. Das wäre ein Balanceakt, der die Persönlichkeit zerstört.

Wie wichtig ist es Ihnen heute, auch in den Feuilletons wahrgenommen zu werden?

Rosenberg: Ich mache mir darüber nicht viele Gedanken. Kritiken lese ich erst ein Jahr später.

Und was ziehen Sie dann daraus?

Rosenberg: Ein Bild meiner öffentlichen Person. Das setzt sich aus allem zusammen, was über mich geschrieben wird, und ist naturgemäß verzerrt und verbogen. Ich musste erst lernen, dass man dem nicht hinterher leben darf, sonst ist man verloren. Als junges Mädchen wusste ich das nicht.

Macht es einen hart, so lange im Fokus der Medien zu stehen?

Rosenberg: Nein, es macht einen leicht. Weil man sich als öffentliche Person nicht mehr so ernst nimmt und mit seinem Image spielt. Aber man muss vorsichtig sein, welche Geister man ruft.

Sie waren 13, als Sie in die Schlagerszene reingerutscht sind. War das im Nachhinein zu früh?

Rosenberg: Hätte ich eine Tochter, würde ich sagen: Ja. Ich habe zwar auf Drängen meiner Eltern eine klassische Gesangsausbildung absolviert, aber viele andere Dinge vernachlässigt. Andererseits: Was habe ich denn verpasst? Um das sagen zu können, müsste man ja den anderen Lebensweg kennen, den man nicht eingeschlagen hat.

Haben es junge Talente heute schwerer als Sie damals?

Rosenberg: Viel schwerer. Die jungen Menschen steigen auf, stürzen ab — und müssen danach in ihrem Dorf irgendwie weiterleben. Darüber macht sich keiner Gedanken, weil es in der Verwertungsmaschine Mensch nur um wirtschaftliche Aspekte geht, egal mit welchen Mitteln. Die Köpfe rollen schneller, als man sich überhaupt die Namen merken kann, und das Wichtigste bekommen die jungen Menschen nicht mehr zugestanden: Zeit.

Die Zeit haben Sie bekommen?

Rosenberg: Absolut. Natürlich war auch meine Plattenfirma kein Sozialunternehmen. Aber meine Verträge liefen über Jahre. Ich konnte mich entwickeln: Davon träumt man heute.