NRW nach der Landtagswahl Armin Laschet will als NRW-Ministerpräsident „zuhören, entscheiden, handeln“
Der von seiner knappen Koalitionsmehrheit zum Regierungschef gewählte Armin Laschet (CDU) will Impulsgeber und Ideenstifter sein.
Düsseldorf. Es ist eine wunderbare Szene, die die feierliche Stimmung und die Emotionalität, von der der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident in seiner kurzen Dankesrede gerade noch mitgerissen worden war, wohltuend bricht. Armin Laschet, soeben im ersten Wahlgang gewählt, geht vom Rednerpult zu dem Sessel, auf dem er in den vergangenen Jahren als Fraktionschef der CDU gesessen hatte. Doch dann besinnt er sich eines Besseren, bewegt sich zielstrebigen Schrittes auf die leere Regierungsbank zu. Und da sitzt er dann, ganz allein, mit breitem Grinsen. Auf dem Platz, der bislang für seine Vorgängerin Hannelore Kraft (SPD) reserviert war. Und genießt den Applaus aus dem Rund des Landtags. Geschafft. Glücklich. Erleichtert.
Dabei war Laschet nur wenige Minuten zuvor die Anspannung noch deutlich anzumerken. Nur wenn die 72 Abgeordneten der CDU und alle 28 Abgeordneten der FDP für ihn stimmen würden, käme er auf die erforderlichen 100 Stimmen. Da gibt es Unruhe auf den Zuschauerrängen, als auffällt, dass bei der FDP ein Abgeordnetensessel leer ist und Landtagspräsident André Kuper (CDU) verkündet, dass drei Abgeordnete entschuldigt fehlen. Die CDU-Reihen sind geschlossen. Eine FDP-Stimme zu wenig? Doch dann die Entwarnung: die FDP-Politikerin Angela Freimuth sitzt als Landtags-Vizepräsidentin vorn am Präsidententisch.
Dennoch bleibt die Unsicherheit: Würde es Abweichler geben? Und wenn ja, würden diese vielleicht durch Ja-Stimmen aus einer der anderen Fraktionen — SPD, Grüne, AfD — kompensiert? Viele Abgeordnete und Zuhörer auf der Besuchertribüne, vielleicht auch Laschet selbst, dürften das Schicksal im Kopf gehabt haben, das einst die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) erlitten hatte. Als sie 2005 ihre vergleichbar knappe Mehrheit nicht hinter sich zusammenbringen konnte, weil es einen (bis heute) unbekannten „Heide-Mörder“ gab, der ihr die Stimme verweigerte.
Doch nicht so gestern in Düsseldorf. CDU und FDP sind hungrig aufs Regieren, ihre 100 Abgeordneten stehen geschlossen hinter ihrem neuen Leitwolf. Ein Leitwolf, der bescheiden daherkommt. Bevor er seine emotionale Dankesrede hält, geht als erste eine faire Verliererin auf ihn zu. Noch bevor Laschet von seinem Koalitionspartner Christian Lindner (FDP) umarmt wird, bleibt es der bisherigen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorbehalten, ihm zu gratulieren und — übertönt von der lang anhaltenden Applauskulisse — ein paar Worte mit ihm zu wechseln.
Die Vorgängerin ist dann auch einer der Schwerpunkte in Laschets Rede. Er dankt Kraft „für sieben Jahre Dienst an unserem Land“. Und er wolle ihr „auch ganz persönlich danken für den Wettstreit um die besten Konzepte in den letzten Monaten und Jahren.“ Diesen Wettstreit hätten beide „hart in der Sache, aber niemals persönlich verletzend geführt“. Dieser Respekt bei allen Unterschieden solle die politische Kultur des Landes auch weiter prägen, hofft er. Und er wünscht Kraft „für Ihren weiteren Weg von Herzen alles Gute“, dankt ihr für die vorbildliche Vorbereitung der Amtsübergabe.
Hier unterbricht Laschet seine Rede, geht zurück zu seiner Abgeordnetenbank, holt einen Blumenstrauß und überreicht ihn seiner Amtsvorgängerin, die nun in der ersten Reihe der SPD-Fraktion sitzt.
Als Armin Laschet dann seine auf der Zuschauertribüne versammelte Familie anspricht — den Vater, seine Frau Susanne, die Söhne — da ist ihm deutlich die Emotionalität anzumerken, die Stimme zittert kaum merklich: „Danke, dass ihr mich auch gestützt habt, als es mal was schwerer war. Und danke für eure Offenheit in der Kritik. Danke, ihr seid ein verlässlicher Kompass.“
Er stehe mit Respekt vor seinem neuen Amt, versichert Laschet. Und er wisse sehr wohl dass das (lateinische Wort) Minister für Diener steht. Und dass der Ministerpräsident denen vorstehe, die Dienst an diesem Land leisten. Er wolle das aber nicht als leidend verstanden wissen. Doch man müsse sich immer daran erinnern, von wem man eigentlich diesen Auftrag erhalten hat. Und dass dies ein Auftrag auf Zeit sei.
Laschet verspricht, sich getreu seinem Motto zu verhalten: zuhören, entscheiden, handeln. Mit den „besten Köpfen und Argumenten“ wolle die neue Regierung Impulsgeber und Ideenstifter sein, sagt er. Und er beschreibt, was NRW für ihn ausmacht: „Wir sind Industrieland, Transitland, Energieland und Einwanderungsland.“ Er wolle die besonderen Interessen von NRW in Berlin und in Brüssel geltend machen.
„Glück auf für Nordrhein-Westfalen, Gottes Segen für unser Land“, schließt Laschet, begibt sich auf den kurzen Irrweg zu seinem alten Abgeordnetensessel, um dann in der Regierungsbank Platz zu nehmen. Noch allein. Wen er dort um sich scharen wird, das will er der Öffentlichkeit morgen verkünden. Vorher, das hatte er bereits gesagt, müsse er noch eine Reihe Telefonate führen.